Editorial 11/05: Wenn raus kommt, was rein kommt,

Prof.Dr.Helmut Erbersdoblerdann kommt er rein und weiß nicht, wann er wieder raus kommt, so der Volksmund recht despektierlich über die Wurst und ihren Hersteller. Es gibt noch mehr solcher Sprüche. Diese sicherlich überzeichnete und Gott sei Dank zumeist auch nicht zutreffende öffentliche Meinung erfuhr in den letzten Wochen leider wieder einmal Bestätigung durch den neuesten „Fleischskandal“ aus Bayern.

Wie man dabei erfahren konnte, wird Unerlaubtes schon lange nicht mehr ausschließlich in der Wurst versteckt. Vielmehr haben sich mit undefinierbaren Füllungen von Teigwaren, Pizzabelägen, deftig gewürzten Eintopfgerichten usw. neue „Einsatzgebiete“ eröffnet und darüber hinaus ist noch vieles mehr vorstellbar. Unverständlich ist allerdings, warum keiner etwas merkte. Zumindest bei den Eingangskontrollen der weiterverarbeitenden Firmen hätten erhöhte Gehalte an Calcium und Bindegewebseiweiß auffallen müssen.

Das Problem: Wo man viel isst, da gibt es viel Abfall – und beim Geflügel boomte in der letzten Zeit der Verzehr. Offensichtlich wussten die Produzenten und/oder Zwischenhändler von allerlei unappetitlichen Abfällen nicht mehr, wohin damit. Zumal das Futter für Kleintiere immer stärker verfeinert wird und Frauchen oder Herrchen Lumpi und Mizzi schon lange keine Abfälle mehr zumuten wollen. Vermutlich hätten diese sogar eher etwas gemerkt als ihre menschlichen Mitverbraucher.

Nach Afrika kann man so etwas inzwischen auch nicht mehr schicken, nachdem sich einige Länder, wie z. B. Kamerun, darüber beschwert hatten. Nicht wegen der fehlenden Appetitlichkeit, sondern weil die minderwertige Billigware die heimische kleinbäuerliche Fleischproduktion ruiniert hatte. Und Tierkörpermehl ist ja seit BSE ebenfalls keine Alternative mehr, also mussten wir es selbst (fr)essen. Und tatsächlich, keiner hat was gemerkt, krankmachend war das ja alles nicht – nur nicht sehr appetitlich, um nicht zu sagen Ekel erregend.

Und die Folgen? Es ist schon alles gegessen, hieß es, und es wäre nicht sinnvoll, Ross und Reiter – sprich Hersteller und Produkte – zu nennen. Selbstverständlich werde man die Verursacher ausfindig machen und zur Rechenschaft ziehen. Damit wäre ja alles geklärt und man könnte in unserer schnelllebigen Zeit auf rasches Vergessen hoffen. Aber „etwas bleibt hängen“, hieß es schon bei den alten Römern und so kann ich meine Frau derzeit nicht bewegen, Wurst zu kaufen, die ich (in Maßen natürlich) hin und wieder gerne aufs Brot lege.

Das gilt auch für den Kauf der anderen oben genannten Produkte. In unserem Bekanntenkreis spricht uns jeder Zweite auf die Vorfälle an. Mit der Zeit wird dies sicher weniger. Aber die Gedanken, die einem bei Verzehr von Wurst, Ravioli, Pizza und von manch’ anderen, vielleicht ganz „unschuldigen“ Produkten in den Sinn kommen, lassen sich – mögen sie auch noch so unsinnig sein – einfach nicht ausblenden. Und vermutlich werden sie durch den sicher unvermeidlichen nächsten Skandal noch verstärkt.

Strafandrohungen allein richten bei entsprechender krimineller Energie nur wenig aus, das zeigen nicht zuletzt die für Lebensmittel-Handwerker ersonnenen drastischen Bestrafungen früherer Zeit, die man bis heute in den Folterkammern alter Rathäuser oder Burgen bestaunen kann. Ich weiß nicht, welche Strafen für solche Fälle im Mittelalter üblich waren, mir wären aber sicher einige eingefallen.

Trotzdem: Lassen Sie sich den Gänsebraten nicht verleiden.

Ihr

Helmut Erbersdobler

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