Editorial 11/06: Barbie

Prof.Dr.Helmut ErbersdoblerDie Sektion Schleswig Holstein der Deutschen Gesellschaft für Ernährung feierte kürzlich als älteste der 11 Sektionen der DGE ihren 50. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch auch von dieser Seite.

„Die Hausfrauen wissen größtenteils nicht, wie eine Kost zusammengesetzt sein muss, die dem modernen Menschen seine bestmögliche Leistungsfähigkeit gibt“. Das war einer der Leitsätze für die damalige Gründung. Und weiterhin: „Es ist erwiesen, dass viele Ehen an dem hauswirtschaftlichen Versagen der Frau scheitern“. Das war vielleicht übertrieben, aber immerhin gaben die Haushalte damals noch rund ein Drittel des Einkommens für Essen und Trinken aus – heute sind es weniger als 15 %.

Fernsehköche gab es auch schon – Clemens WILMENROD, der Erfinder des Toast Hawaii, war überaus beliebt. Außerdem hatten schon damals die Ärzte die ersten Patienten mit Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen registriert. Der „Wohlstandsbauch“, heute unser Hauptproblem über alle Altersgruppen, begann sich zu entwickeln.

Geburtstag hat auch eine andere Institution – Barbie. Die Bild-Lilli, die Reinhard BEUTHIN ab 1952 gezeichnet hatte, war meines Wissens nicht so extrem dünn, wie sie es später in den USA als Barbie wurde, von wo sie ab 1959 ihren Siegeszug über die Welt antrat. Tatsache ist jedenfalls, dass Barbie mit ihrer heutigen Figur, wenn sie auf Menschenmaß vergrößert würde, nicht lebensfähig wäre, wie kürzlich eine physiologische Studie anlässlich des Geburtstags ergab. Es würde ganz einfach der Platz für die inneren Organe fehlen.

Trotzdem hatte und hat diese Figur Leitbildfunktion für Generationen an Models. Welche Folgen ein solches Vorbild haben kann, zeigt beispielhaft die Arbeit von RHO und DORANDT, deren zweiter Teil in diesem Heft erscheint (s. Seite 435). So hielt sich die Hälfte der koreanischen Studentinnen mit einem BMI zwischen 18,5 und 24,9 für zu dick, bei den deutschen Studentinnen waren es ca. 40 Prozent.

Siebzig Prozent der Studienteilnehmerinnen mit Unter- bzw. Normalgewicht trugen sich mit dem Gedanken an eine Reduktionsdiät. Über 99 Prozent der koreanischen Studentinnen hatten bereits Erfahrungen mit Maßnahmen zur Gewichtsreduktion.

Was hier schief gelaufen ist und zu dieser Fehlentwicklung im Verhalten geführt hat, liegt auf der Hand. Die Gazetten und Modejournale sind voll mit Models, die „Barbieverschnitte“ darstellen und alle haben sie Vorbildfunktion. Heute hungern sich die Models krank und füllen die Stellen, die man eigentlich nicht „weghungern“ wollte, wieder mit Silikon auf. Und die ganze weibliche Welt macht mit.

Mitte der 50er Jahre war dies noch nicht so schlimm. Marilyn MONROE und ihre Kolleginnen durften durchaus noch etwas „molliger“ sein. Damals verspottete noch ein beliebter Wiener Gassenhauer die „Leopoldin´“, die „wie ein Bleistift so dünn“ sei. Die DGE richtete damals ihr Hauptaugenmerk zu Recht zunächst auf das Übergewicht. Später wurden aber auch hier die Essstörungen behandelt.

Eine falsche Einstellung zum eigenen Körper und zur Ernährung kann Ursache von Übergewicht und von zum Teil lebensbedrohenden Essstörungen sein und die vielen Diätversuche führen letztendlich wieder zu Übergewicht oder Essstörung. Eigentlich müssten die Frauen (oder eher die Männer?) diese Mode boykottieren, dann wäre der Spuk eventuell schnell beendet. Einen Anfang machten spanische Behörden kürzlich in Madrid, als sie einen BMI von 18 zur Voraussetzung machten, dass die Models auf den Laufsteg durften. Wir wollen hoffen, dass dieses Vorgehen Schule macht.

Ihr

Helmut Erbersdobler

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