Editorial 12/03: Grüne Weihnachten

Prof. Dr. Helmut ErbersdoblerHelmut Erbersdobler, Kiel

Wenn Sie eine amerikanische Fachzeitschrift aufschlagen, dann finden Sie in fast jeder Ausgabe Leserbriefe mit Stellungnahmen und Entgegnungen zu dort veröffentlichten Beiträgen. Eine derart ausgeprägte Streitkultur fehlt in der deutschsprachigen Wissenschaft – und das ist eigentlich schade. Daher freue ich mich über den Kommentar von Alexander Ströhle und Andreas Hahn zum Artikel über die Steinzeitdiät (S. 481). So kommt Leben in die ernährungswissenschaftliche Szene!

Kein Streit und kein Zweifel herrschen darüber, dass die Steinzeitmenschen viel mehr Ballaststoffe verzehrten als wir heute, und dass dies auch für uns gut wäre. Auch in allen Ernährungspyramiden (übrigens werden wir uns mit dieser Darstellungsform von Ernährungsempfehlungen in einer der nächsten Ausgaben intensiv auseinandersetzen) werden ballaststoffreiche Lebensmittel vorrangig behandelt, wenn es auch zu ihren segensreichen Wirkungen im Detail noch widersprüchliche Meinungen gibt. Selbst die Frage, welche Ballaststoffe zu bevorzugen sind – eher die löslichen oder die unlöslichen, von ihrer Herkunft ganz zu schweigen – ist noch nicht endgültig geklärt. Vermutlich ist dies erst möglich, wenn die Zusammensetzung der einzelnen Ballaststoffarten genau bekannt ist.

Die in diesem Heft veröffentlichte Arbeit von Bunzel und Steinhart (übrigens einer preisgekrönten Dissertation entstammend) kommt der Frage, was die Ballaststoffe "in ihrem Innersten zusammenhält", einen entscheidenden Schritt näher. Die Verbindung, ja Stabilisierung der Kohlenhydrat-Polymere mittels phenolischer Gruppen, insbesondere der Ferulasäure, ist eine hoch interessante Erkenntnis und lässt auf die Entschlüsselung weiterer Wirkungen der Ballaststoffe hoffen.

Wie jedes Jahr blicken ernährungsbewusste Verbraucher etwas bange auf die kommenden Festtage mit ihren üppigen Mahlzeiten. Doch üppig geht es nicht nur Weihnachten zu. Das zeigt der Bericht über die Ernährungssituation in Österreich (S. 464 ff.). Deutlich zu wenig Ballaststoffe, doppelt so viel gesättigte Fettsäuren wie empfohlen in praktisch allen Altersgruppen, dazu reichlich Zucker bei den Jugendlichen – hier besteht eindeutig Handlungsbedarf. Völlig anders stellt sich derzeit die Situation im Irak dar: Fehler und Missmanagement bei der Versorgung mit Lebensmitteln treffen besonders die Kinder (S. 476 ff.).

Lassen Sie uns trotz allem Disput und aller Not bei uns und in der Welt Weihnachten ein wenig genießen. Sie wissen ja, nicht die wenigen Wochen vor und nach Weihnachten sind es, die zu B(a)uche schlagen, sondern die restlichen 48 Wochen des Jahres. Aber, denken Sie auch an "Grüne Weihnachten", also an ausreichend Gemüse und Obst; denn dies kann durchaus zu erholsamen und "fitten" Feiertagen beitragen. Und sparen Sie Einiges zu Gunsten der Armen in der Welt – zu Ihrem Wohle und dem derer, denen es schlechter geht als uns.

In diesem Sinne ein frohes Fest und einen gutes Neues Jahr

Ihr H. F. Erbersdobler

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