Editorial 12/10: Der Schlachter Ihres Vertrauens

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler
HerausgeberWenn ich zum Schlachter/Fleischer/Metzger oder Bäcker bzw. zum Fischstand gehe und dort intime Fragen über die Herkunft der Produkte, die Zutaten oder die Herstellungsweise stelle, ernte ich zumeist nur ein erstauntes Kopfschütteln, wenn nicht eine ‚patzige‘ Antwort. Ich denke mir, dass diese Leute nicht über Details reden wollen oder es selbst nicht wissen. Der Schlachter unseres Vertrauens schlachtet nämlich auch nicht mehr selbst, der Bäcker verwendet Backmischungen und der Fischhändler wird zum Teil aus Holland oder Dänemark beliefert. Außerdem decken diese Berufe nur einen kleinen Teil unseres Bedarfs ab – den Rest holen wir doch im Supermarkt. Dort geht es uns ähnlich oder wir kämpfen mit der Zutatenliste.

Diätberatung, gesundheitsbezogene Beratung usw., das alles gibt es – nur eine Hilfestellung zur Qualität der Lebensmittel vermisst man! Sind die Hühnerbeine zu 3,90 Euro schlechter als die vor einigen Tagen, die 6,90 Euro kosteten? Sind die niedrigeren Preise die Folge von Aktionsangeboten und bürgen die höheren Preise wirklich für höhere Qualität?

Allgemeines Vertrauen genießt der lokale Wochenmarkt, da kosten die Hühnerbeine 8,90 Euro, doch wer kontrolliert hier und wie oft? Beim Discounter sind die Preise mit 4,50 Euro konstant – bei durchgehend akzeptabler Qualität?

Wir erfahren nur wenig über die genauere Herkunft (ggf. „aus unserer Heimat“ – was bedeutet das, das Bundesland, Deutschland, Europa oder der Planet?), über die Art der Tierhaltung (außer bei Eiern) oder sonstige Hintergründe. Kann man einem Allergiker definitiv versichern, dass ein bestimmtes Gewürz nicht enthalten ist?

Dazu kommt noch eine allgemeine Verunsicherung durch die Tatsache, dass Verbraucherschützer ständig nur auf zwei bis drei Dutzend Fakten, wie Glutamat, Hefeextrakt etc. herumhacken, wodurch die Übersicht über die Gesamtproblematik eher verloren geht. Und die ist immens.

Es gibt kaum Spezialisten, die vom Kennzeichnungs-Wirrwarr über den ‚ökologischen Fußabdruck‘ bis zur Gesundheitsrelevanz der Lebensmittel alles verstehen. Daher brauchen wir eine vernünftige Kennzeichnung, die einfache Botschaften vermittelt und bei mehr Interesse auch detaillierte Einsichten ermöglicht. Die in diesem Heft vorgestellten Apps für die Lebensmittel sind ein Weg dahin, aber meines Erachtens noch nicht das Ziel.

In diesem Sinne, gesunde Weihnachten

Ihr Helmut Erbersdobler

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