Editorial 07/02: Ziel verfehlt

Sabine Fankhänel, Frankfurt

Sabine Fankhänel,
ChefredakteurinMit Absichtserklärungen, denen – fast – keine Taten folgen, lässt sich Hunger nicht bekämpfen. Das zumindest machte der Welternährungsgipfel deutlich, der kaum bemerkt von der Öffentlichkeit in Deutschland unter dem Motto "World Food Summit: Five Years later" vom 10. bis 13. Juni in Rom stattfand.

Vor knapp 6 Jahre hatten sich 185 Nationen und die Europäische Gemeinschaft auf dem von der FAO erstmals durchgeführten Welternährungsgipfel verpflichtet, stärker als bisher den Hunger und die Unterernährung zu bekämpfen. Die Zahl der hungernden und unterernährten Menschen auf der Welt müsse bis zum Jahr 2015 halbiert werden, so forderte man damals sehr eingängig in der Rome Declaration on World Food Security. Nun trafen sich die Delegationen erneut, um Bilanz zu ziehen.

Was wurde in den letzten 6 Jahren erreicht? Nach dem neuesten FAO-Weltbericht zu Hunger und Unterernährung (SOFI 2001) litten Ende der 90er Jahre 815 Mio. Menschen an Hunger: 777 Millionen in den Entwicklungsländern, 27 Millionen in den Schwellenländern und 11 Millionen in den Industrieländern. Waren in den späten 60er Jahren noch durchschnittlich 37 % der Menschen in Entwicklungsländern unterernährt, sind es jetzt zwar nur noch 17 %; durch das Bevölkerungswachstum hat sich die Zahl der Betroffenen aber keineswegs halbiert. Besonders problematisch ist die Situation im "subsaharischen" Afrika: Dort leiden immer noch 34 % der Menschen Hunger.

In 32 von 99 untersuchten Ländern, darunter China, Indonesien, Thailand, Nigeria und Brasilien, verbesserte sich die Situation, in den anderen blieb sie unverändert oder verschlimmerte sich. Durchschnittlich verringert sich die Zahl der Hungernden und Unterernährten zurzeit pro Jahr nur um 6 Mio. Menschen. Schreibt man diese Rate fort, wird die vom Welternährungsgipfel 1996 geforderte Halbierung des Hungers frühestens im Jahr 2060 erreicht! Oder anders ausgedrückt: Nur wenn die Zahl der Unterernährten pro Jahr um knapp das Vierfache – 22 Mio. Menschen! – sinkt, lässt sich dieses Ziel noch realisieren.

Vor diesem Hintergrund fand UN-Generalsekretär Kofi Annan während der Eröffnungszeremonie deutliche Worte: "Progress in cutting by half the number of hungry has been far too slow. We need an anti-hunger programme that could become a framework around which global and national capacities to fight hunger can be mobilized." Einerseits müsse der Zugang zu Nahrung erleichtert werden, andererseits die landwirtschaftliche Entwicklung gefördert und der ländliche Raum gestärkt werden. Eine Schlüsselrolle komme dabei den Frauen zu. Weiter forderte Annan die Industrieländer auf, ihre Märkte stärker als bisher für Agrarimporte aus denEntwicklungsländern zu öffnen und Handelshemmnisse, vorrangig Zölle, zu beseitigen.

In der "Declaration of World Food Summit: five years later", welche die Delegierten zu Beginn des Gipfels unterzeichneten, wird einerseits die Verpflichtung auf die Ziele des ersten Welternährungsgipfels nochmals unterstrichen, andererseits eingeräumt, dass die bisher erzielten Fortschritte nicht ausreichen. Darüber hinaus stellen die Entwicklungsländer immer weniger Mittel für die Ernährungssicherung sowie die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume bereit. Vor diesem Hintergrund einigten sich die Teilnehmerstaaten darauf, in den nächsten zwei Jahren freiwillige Richtlinien zur Durchsetzung des Rechts auf Nahrung zu erarbeiten.

Eine internationale Arbeitsgruppe unter Federführung der FAO soll die Staaten in ihrem Kampf gegen den Hunger unterstützen. Die entwickelten Länder werden erneut aufgefordert, 0,7 % des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen zur Verfügung zu stellen (Deutschland will spätestens im Jahr 2006 eine Quote von 0,33 % erreichen.). Begrüßt wurde die Initiative "New Partnership for Africa’s Development" (NEPAD), die auch Fragen der Landwirtschaft und Ernährungssicherheit einschließt und der sich inzwischen 15 afrikanische Staaten angeschlossen haben.

An der praktischen Umsetzung der "Declaration of World Food Summit: five years later" wird sich zeigen, ob der zweite Welternährungsgipfel erfolgreich war. Nun sind Taten gefordert!

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