Non-Nutritive Bioactive Food Constituents of Plants: Importance for Nutrition and Health

Berthold Gaßmann, Sabine Fankhänel

20 Jahre nach ihrer Gründung führte die Internationale Stiftung zur Förderung der Ernährungsforschung und Ernährungsaufklärung vom 11. bis 13. Oktober im Institut für Biochemie und Lebensmittelchemie der Universität Hamburg das 14. internationale Symposium durch. In 12 Vorträgen und einer Podiumsdiskussion versuchten Vertreter von 9 Ländern, eine wissenschaftliche Standortbestimmung zu den Auffassungen und Erkenntnissen über die Bedeutung sekundärer Pflanzenstoffe für die menschliche Gesundheit vorzunehmen. Bei einer öffentlichen Abendveranstaltung ging darüber hinaus Prof. Dr. H. Erbersdobler, Präsident der DGE und Mitglied des ISFE-Stiftungsrates, der Frage "Fünfmal am Tag Gemüse und Früchte – was, wie viel, warum?" nach.

Definition, Situation, Perspektiven

Ob 5000 oder 10000 und mehr bioaktive Nahrungsbestandteile vorkommen, die nicht zu den Nährstoffen zählen, ist so lange ohne Bedeutung, wie es keine eindeutige Definition für sie gibt und bei einem solchen Symposium im Einzelnen außer auf Carotinoide, Flavonoide, Polyphenole, Isoflavonoide, Phytosterine und Glukosinolate auch auf Tocopherole eingegangen wird. Ebenso wenig hilfreich für eine vertretbare Zuordnung ist es, sie als "phytochemicals", "phytoprotectants" oder "nutraceuticals" zu bezeichnen und ihnen eindeutige pharmakologische Wirkungen wie antimikrobiell, antiviral, antiinflammatorisch, antikarzinogen, cholesterol- und lipidsenkend, antithrombotisch oder allgemein antioxidativ zuzusprechen. Denn damit wird die Grenze zwischen der Chemoprävention durch Nahrungsinhaltstoffe im Sinne von Gesunderhalten und der gezielten Phytotherapie von Krankheiten durch Pflanzeninhaltsstoffe fließend.

Beschreibungen der diesbezüglichen Situationen und Betrachtungsweisen in Asien (Ge, China; Kamoto, Japan), Europa (Biro, Ungarn; Varela-Moreiras, Spanien) und der übrigen westlichen Welt (Fürst, Hohenheim) machten dies deutlich. Zusätzlich verwirrt das aufgekommene Anreichern und Hervorheben von Pflanzenextrakten oder einzelnen und kombinierten sekundären Pflanzenstoffen in funktionellen und diätetischen Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und "novel" oder "designer foods". Und dies, obwohl niemand den jeweiligen Bedarf und somit eine "adäquate Zufuhr" an sekundären Pflanzenstoffen beziffern kann, weder für Bevölkerungsgruppen, noch für Individuen.

Ungeachtet der in keiner Weise gesicherten Bewertung von Chancen und Risiken entsprechender Erzeugnisse handelt es sich um einen Wachstumsmarkt: Gegenwärtig werden ca. 30 Mrd. US-$ umgesetzt mit einer jährliche Steigerungsrate von 5 %. Und man kann davon ausgehen, dass alle gentechnischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ihn noch weiter und schneller auszudehnen (Fürst, Hohenheim). Nur eins ist gewiss: Da nicht-nutritive bioaktive Nahrungsinhaltsstoffe vom Menschen nicht gespeichert werden können, ist eine ständige Zufuhr nötig.

Biologische Wirkungen und Wirksamkeitsnachweise

Die Verringerung des Risikos degenerativer Erkrankungen durch einen hohen und vielfältigen Verzehr an Obst und Gemüse ist ein unumstrittenes Ziel heutiger Ernährungsempfehlungen. Grundlage dafür sind retrospektive Fall-Kontroll-Studien und langfristige Beobachtungen bei Populationen mit einem entsprechenden Ernährungsverhalten, vor allem mit mediterraner Kost. Soweit es sich dabei um epidemiologische Erhebungen handelt, bei denen der Lebensmittelverzehr durch Befragungen erfasst worden ist, lässt sich vielfach auch ein statistisch gesicherter Zusammenhang zu sekundären Pflanzenstoffen herstellen.

Prospektive Kohortenstudien haben jedoch einheitlichen Hinweise auf eine Schutzwirkung gegenüber Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebsleiden weder für den Verzehr von Obst und Gemüse noch für die Aufnahme von bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen im nutritiven – d. h. nicht pharmakologischen – Bereich ergeben. Die Aussagekraft solcher Studien ist allerdings begrenzt.

Zum einen liegt dies an der Schwierigkeit, mit Fragebögen den genauen Verzehr an einzelnen Lebensmitteln und Nahrungsinhaltsstoffen zu ermitteln. Zu anderen fehlen biologische Marker für deren Auswirkung, wie sie bei zeit- und kostenaufwändigen Untersuchungen erforderlich wären. So stützt sich die Annahme, dass Krankheiten vorbeugende Mechanismen durch Obst und Gemüse bzw. ihre Inhaltsstoffe gesundheitsdienlich moduliert werden, bisher im Wesentlichen auf experimentelle Ernährungsstudien (Kampman, Wageningen). Immerhin wird grob geschätzt, dass eine mediterrane Kost die Inzidenz von kolorektalen Tumoren um 25 %, von Brustkrebs um 15 % und von Prostata-, Pankreas- und Gebärmutterkrebs um 10 % verringern kann (Trichipoulou, Athen).

Mit einer normalen gemischten Kost werden täglich 200 bis 300 mg Phytosterole aufgenommen. Vornehmlich sind dies b -Sitosterol und Campesterol, weniger die gesättigten Stanolformen (Sitostanol, Campestanol). Alle werden nur geringfügig absorbiert ( b -Carotin > Lycopin. Beim Quenchen von Singulettsauerstoff hingegen ist Lycopin besonders wirksam. Vorteilhaft ist das beim Schutz vor UVA-Strahlen und speziell der durch sie verursachten Hautverbrennung. Der tägliche Verzehr von 40 g einer Tomaten-Olivenöl-Paste, die 16 mg Lycopin enthielt, erwies sich nach 10 Wochen als ausgezeichneter (endogener) Sonnenschutz. 4 Wochen des Verzehrs reichten dafür noch nicht aus. Zwischen pro- und antioxidativer Wirkung gibt es für jedes Carotinoid einen optimalen Mengen- und Zeitbereich (Sies, Düsseldorf). Einzelheiten dazu finden sich bei Sies, Stahl et al. J. Nutr. 131 (2001) 1449 ff. und Arch. Biochem. Biophys. 391 (2001) 160 ff.

Das Vorgehen des Food and Nutrition Board, in den USA und Kanada als Vitamin E nur noch 2R-Stereoisomere des a -Tocopherols zu definieren, hat zu Unsicherheiten in der Beurteilung anderer natürlicher Tocpherole und Tocotrienole geführt. Insbesondere gilt das für die Rolle des g -Tocopherols; dieses ist stärker antioxidativ wirksam als a -Tocopherol und stabilisiert Pflanzenöle dementsprechend besser (z. B. beim Erhitzen). In vivo besitzt g -Tocopherol allerdings in verschiedenen Geweben nur etwa ein Viertel der Wirkungen des &945;-Tocopherols auf. Dies ist dennoch nicht unbeträchtlich, da die Affinität zum Transferprotein in der Leber vergleichsweise lediglich 8,9 % beträgt.

Durch Reaktion mit S-Adenosylmethionin kann die Pflanze g - in a -Tocopherol überführen. In einer Studie, die 7 Generationen von Wistar-Ratten umfasste, ist diese Biotransformation ebenfalls nachgewiesen worden. Es ist deshalb nicht grundsätzlich auszuschließen, dass sie im Bedarfsfall beim Menschen ebenso stattfindet. Die Ergebnisse von großen Interventionsstudien mit a -Tocopherol als Biomarker waren zwar widersprüchlich, es besteht aber kein Zweifel, dass in der Pathogenese zahlreicher Krankheiten (KHK, Krebs, neurologische Störungen, Entzündungen, Katarakte, altersbedingte Makuladegeneration u. a.) den Tocopherolen bei der Verhütung von Schäden, die durch freie Radikale an zellulären Lipiden, Proteinen oder DNA gesetzt werden, besondere Bedeutung zukommt (Elmadfa, Wien).

Bioverfügbarkeit und Stabilität bei der Lebensmittelzubereitung

In den Pflanzen liegen Flavonoide primär als Glykoside vor. In ihnen sind eine oder mehrere Hydroxylgruppen mit unterschiedlichen Zuckern verestert. Lange Zeit hat man angenommen, dass sie zunächst im Dünndarm durch b -Glycosidasen hydrolysiert werden müssen und nur die Flavonoidaglykone absorbiert werden können. Erst in den letzten 6 Jahren hat sich herausgestellt, dass zumindest einige der Glykoside, möglicherweise Monoglykoside, im Magen oder Dünndarn absorbiert werden und dabei vielleicht in den Glucosetransport eingeschlossen sind. Offenbar sind der Zuckertyp und die Position der glykosidischen Komponente am Flavankern für die Absorption, den Plasmaspiegel und das Auftreten freier oder glucuronierter Flavonoide im Urin von entscheidender Bedeutung.

Wegen der unterschiedlichen Auffassungen über die Art und das Ausmaß der Absorption ist die Bioverfügbarkeit der Flavonoide beim Menschen die Hauptfrage und -kontroverse. Hinzu kommt, dass das Wissen über den menschlichen Flavonoidstoffwechsel gering ist, da es nur Befunde aus Tierversuchen gibt, sich potenzielle Vorteile von Flavonoiden für die menschliche Gesundheit vor allem auf Ergebnisse von Zell- und Tierexperimenten gründen und über den Abbau nicht absorbierter Glykoside oder Aglykone durch die Darmflora zu wenig bekannt ist. Beim Quercetin wird auf Grund von Untersuchungen an Ileostomie-Patienten eine Absorption von 52 % angenommen. Obwohl Quercetin unter den Flavonoiden am häufigsten vorkommt, ist es für den Menschen wahrscheinlich nicht das wichtigste Flavonoid (Nielsen, Søborg).

Glucosinolate werden beim Zerschneiden oder Kauen der Zellwände von Kruziferengemüse (Kohl, Meerrettich, Senf u. a.) durch pflanzeneigene b -Glykosidasen (v. a. Myrosinase) in Glukose, Sulfat und eine schwefelhaltige Gruppierung mit einem Aglykonrest gespalten. Diese Gruppierung wird im weiteren Verlauf der Zubereitung und Verdauung zu Indolen, Thiocyanaten und Isothiocyanaten abgebaut, was zu charakteristischen Geruchs- und Geschmacksnoten führt. Es gibt epidemiologische Hinweise dafür, dass eine glucosinolatreiche Nahrung einen gewissen Schutz vor gastrointestinalen und Lungenkarzinomen bietet. Die antikarzinogenen Effekte führt man zum einen auf die Induktion von Phase-II-Enzymen zurück, wodurch die Wirkung potenzieller karzinogener Komponenten blockiert wird.

Zum anderen wird eine Förderung der Apoptose präkanzerogener Zellen angenommen. Wie die selektive Apoptose zu Stande kommt ohne normale Zellen zu schädigen, ist nicht bekannt. Untersucht worden ist, inwieweit Prozesse der Be- und Verarbeitung glucosinolathaltiger Gemüse die Bioverfügbarkeit ihrer antikarzinogenen Inhaltsstoffe beeinflusst. So kommt es nach Verzehr von rohen oder nur leicht gekochten Gemüsen zu einer guten Aufnahme von Isothiocyanaten und anderen Glucosinolatmetaboliten aus dem Magen und Dünndarm. Kochen im Mikrowellenherd bewahrt vor dem Übergang dieser bioaktiven Komponenten ins Kochwasser und steigert dadurch ihren Konsum. Gegenwärtig wird auf der Ebene der Proteinexpression an Linien kolorektaler Krebszellen die Apoptoseinduktion als Antwort auf die Einwirkung von Isothiocyanaten und Extrakten aus Kruziferengemüsen untersucht (Lund, Norwich).

Bei der Zubereitung von Lebensmitteln hängt das Ausmaß des Verlustes an Tocopherolen von der Zubereitungsart (Backen, Braten, Dünsten etc.), der Erhitzungstemperatur, der Art verwendeter Pflanzenfette (z. B. Margarinen) sowie dem Gehalt an Gesamttocopherol und Polyalkenfettsäuren ab. Da Tocopherole dabei auch direkt durch Luftsauerstoff oxidiert werden, besteht zwischen dem Verlust an ihnen und dem Polyalkenfettsäurengehalt keine nachweisbare Korrelation.

Unter Verwendung von Standardmargarinen mit einem Gehalt an a -, b - und d -Tocopherol von 33 resp. 74 mg/100 g und einer Diätmargarine mit 96 mg a - und b -Tocopherol/100 g kam es beim Backen von Plätzchen (60 min, 175 C° bzw. 12 min, 200 °C) und Braten von Kartoffelscheiben (15 min, 120 °C) zu einer Tocopherolabnahme bis zu 20 %. Beim Braten von Steaks (6 min, 180 °C) und Dünsten von Erbsen (3 min 70°C°) gingen von den Tocopherolen bis zu 70 % verloren. Im normalen Haushalt muss unter den meisten Zubereitungsbedingungen immer mit einem Verlust des originären Vitamin-E-Gehalts der Nahrung von 10 % gerechnet werden (Steinhart, Hamburg).

Über Veränderungen des Gehalts von Gemüse an Polyphenolen beim Kochen ist wenig bekannt. Um den Einfluss des Kochwasservolumens zu untersuchen, wurden für verschiedene Gemüsen bestimmte phenolische Komponenten als Marker ausgewählt: Rutin für Zucchinis, Chlorogensäure für Karotten, Rutin und Quercetin für Bohnen, Chlorogen- und Kaffeesäure für Kartoffeln. Außer bei den Kartoffeln ergab sich in jedem Falle ein höherer Kochverlust und Übergang ins Kochwasser (bei Karotten beispielsweise 70 statt 25 %), wenn dessen Menge vergleichsweise groß war (im Versuch 300 statt 30–40 ml/300 g). Demzufolge wird bei gekochtem Gemüse die mit ihnen aufgenommene Mengen an Polyphenolen zumeist überschätzt (Anlauer, Hohenheim, jetzt Augsburg). EU 12/01

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