Zu guter Letzt 07/14: Rotwein und Resveratrol – doch nicht das Traumpaar?

Mitte Mai fluteten Meldungen über den „entzauberten Rotwein-Wunderstoff Resveratrol“ durch die Medien . Ursache war die online-first-Publikation von Richard D. Semba und Kollegen in der angesehenen Zeitschrift Jama Internal Medicine vom 12. Mai*. Dort wurde über Untersuchungen an einer prospektiven Kohorte mit 783 Männern und Frauen im Alter von über 65 Jahren in der Chianti-Region (Italien) berichtet.

Die Studie lief von 1998 bis 2009. Anhand der Resveratrolwerte im 24-Stunden-Urin wurden vier Gruppen (Quartile – von niedrig bis hoch) gebildet. Zielkriterien waren die Mortalität (all causes), verschiedene Entzündungs-Marker sowie Prävalenz (Häufigkeit) und Inzidenz (Neu-Auftreten) von Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten (HKK). Während der Untersuchungszeit starben 268 (34,4%) der Teilnehmer und zwar von der niedrigsten bis zur höchsten Quartile der Resveratrolwerte 34,4%; 31,6%; 33,5% und 37,4%.

Diese Unterschiede waren nicht signifikant, das galt auch für die Zusammenhänge der Resveratrolwerte mit den Entzündungs-Markern sowie zur Prävalenz und Inzidenz von Krebs und HKK. Die Autoren schlussfolgern, dass Resveratrol in der Menge, wie es mit unserer Nahrung („Western Diet“) bei entsprechendem Weingenuss aufgenommen wird, keinen substanziellen Einfluss auf den Gesundheitszustand und die Mortalität der Studienteilnehmer hatte. Diesem Fazit kann man nicht widersprechen, allerdings muss eingewandt werden:

  • Dass die Mengen an Resveratrol in Rotwein (2–8 mg/Liter) gering sind im Vergleich zu den Mengen (500 mg), die über Nahrungsergänzungsmittel empfohlen werden (davon abgesehen, ob diese wirksam sind). Die Resveratrolwerte im Urin lagen außerdem mit 6,69–7,48 mmol/g Kreatinin relativ eng beisammen.
  • Die Studie sagt nichts über die gesundheitliche Wirkung von Rotwein aus. Sicherlich dürfte in der Chianti-Region Rotwein die Haupt-Resveratrolquelle gewesen sein. Andere als gesund diskutierte Inhaltsstoffe des Weins, wie Flavonoide (z. B. Anthocyane, Catechine, Quercetin) müssen aber nicht mit den Resveratrolgehalten korrelieren. Auch die Frage, ob die Alkoholzufuhr durch den Rotwein ihre in geringer Dosierung günstige Wirkung entfalten konnte oder doch schon zu hoch war, lässt sich nicht beantworten.

Was bleibt, ist wieder einmal das Aha-Erlebnis, dass bei vielen ausgelobten gesundheitlichen Wirkungen Theorie (Zellkultur- und Tierversuche) und Wirklichkeit (Gesundheit des Menschen) auseinander klaffen.

Es grüßt Sie herzlich

Helmut Erbersdobler  

* DOI: 10.1001/jamainternmed.2014.1582

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 07/14 auf Seite M408.

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