Zu guter Letzt 06/11: Spanische Gurken oder Uelzener Sprossen?

Erst kürzlich hatte ich kritisch angemerkt, dass man sich leider oft über Nebenschauplätze aufregt und dabei wichtige Fragen vernachlässigt. Zu letzteren gehören u. a. die mikrobiologischen Probleme, die wir jetzt haben. Pflanzliche Produkte wurden bisher zwar auf zahlreiche Rückstände und allenfalls einmal auf Salmonellen untersucht. An EHEC hat jedoch offensichtlich niemand gedacht, obwohl sie nach Salmonellen mit Campylobacter zu den zweithäufigsten Enteritiserregern gehören .

Zunächst wurden spanische Gurken als (einer der?) Verursacher ausgemacht. Jetzt sind es vermutlich Sprossen, möglicherweise aus exotischer Saat. Die Bauern aller Länder schwören heilige Eide, dass sie im Gemüse-Anbau weder Gülle noch Mist verwenden. Eine Kontamination über Beregnungsanlagen, die ihr Wasser aus Oberflächen-Gewässern nehmen, ist jedoch nicht auszuschließen, zumal wenn es viel regnet und ggf. Keime in die Gewässer geschwemmt werden. Aber auch die Brut-Bedingungen, die beim Keimen zur Sprossenerzeugung angewendet werden, lassen Mikroorganismen, z. B. aus kontaminierter Saat, hervorragend wachsen. Nicht ohne Grund wird das Malz bei der Bierherstellung nach der Keimung erhitzt (gedarrt).

Der EHEC-Schock hat viele Verhaltensregeln wie Hände waschen, Gemüse schälen etc. bekannt gemacht. Hoffentlich vergisst man das nicht gleich wieder, ebenso wenig wie die Vorsicht vor unbehandelten (rohen) tierischen Lebensmitteln, wie (ungepökelte) rohe Fleischerzeugnisse, Rohmilch, Rohmilchkäse etc. Feinschmecker glorifizieren diese Lebensmittel m. E. häufig zu sehr – auch in den Medien. Wir sollten das Problem auf jeden Fall im Auge behalten. Und wir müssen eine Prioritätenliste – nicht der Schadstoffe, sondern der Schadwirkungen – aufstellen, denn alles können wir nicht kontrollieren.

Am besten wäre es, die Bedingungen der Erzeugung und Belieferung so zu gestalten, dass keine Schäden eintreten. In manchen Fällen geht dies schon (z. B. die Salmonellen-freien Erzeugerbetriebe in Skandinavien), nur bei uns in Deutschland wird es nicht praktiziert. Hoffen wir, dass sich das zarte Pflänzchen Gemüseverzehr, das derzeit einen so herben Rückschlag erleidet, wieder erholt. Jahrzehntelange Bemühungen wären sonst dahin. Denken Sie immer daran, auch Gemüse, einschließlich Sprossen, immer zu erhitzen oder mindestens zu schälen bzw. sehr gründlich zu waschen – und keinesfalls zerkleinert länger ungekühlt liegen zu lassen.

Geschrieben am 29. 5., korrigiert am 5. 6. 2011 mit herzlichen Grüßen

Ihr Helmut Erbersdobler

Den vollständigen Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 06/11 auf Seite 336.

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