Editorial 08/03: Omega-3-Fettsäuren - was und wie viel wissen wir?

Prof. Dr. Helmut ErbersdoblerHelmut Erbersdobler, Kiel

In vielen Bereichen der Ernährungsempfehlungen tun sich große Fragezeichen auf, wenn man die Referenzwerte wirklich evidenzbasiert definieren will. Dies zeigt sich besonders deutlich bei den Omega-3-Fettsäuren, insbesondere den langkettigen LCPUFA . Obwohl sich alle Wissenschaftler einig sind, dass wir sie brauchen, gibt es im Detail noch keinen Konsens, geschweige denn eine wissenschaftlich basierte Evidenz über die zu empfehlende Zufuhr. Keines der in den letzten Jahren erschienenen Referenzwerke – weder die "DACH-Referenzwerte" der deutschsprachigen Ernährungsgesellschaften (2000) noch die "Dietary Reference Intakes" (DRI´s) der USA (2002) oder der neueste Expertenbericht der FAO/WHO (2003) – gibt eine Empfehlung für die LCPUFA, allenfalls für Omega-3-Fettsäuren insgesamt, d. h. einschließlich der alpha-Linolensäure. Lediglich einige Experten und speziell interessierte Gruppen wie die ISSFAL wagen sich mit ihren Aussagen weiter vor. Das ist durchaus legitim, repräsentiert aber nicht das "gesicherte Wissen". Der Beitrag von Singer und Wirth Omega-3-Fettsäuren marinen und pflanzlichen Ursprungs: Versuch einer Bilanz in dieser Ausgabe der Ernährungs-Umschau (S. 296 ff.) beschreibt die Diskrepanz, die sich daraus ergibt, und unterscheidet außerdem zwischen der primären (d. h. überwiegend nutritiven) und der sekundären Prävention, wenngleich nicht immer ganz stringent. Hinsichtlich der sekundären Prävention (Verhütung weiterer Schäden nach bereits eingetretenem Schaden) ist man sich übrigens weniger uneins.

Unabhängig vom Ausgang dieser Diskussion sollte das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren, durch Zivilisation und landwirtschaftliche Produktion (Anbau von Getreide und von linolsäurereichen Ölsaaten für die Human- und Tierernährung) aus dem Gleichgewicht geraten, wieder ins Lot gerückt werden. Dass dabei "ein bisschen" LCPUFA nicht schadet, ja günstig ist, dürfte niemand bezweifeln. Was kann, soll man also tun?

  • Sicherstellung eines "Sockels" durch angemessene Versorgung mit alpha-Linolensäure, z. B. aus Rapsöl, das ein günstiges Omega-6: Omega-3-Verhältnis aufweist, oder aus anderen Quellen (Wildtiere, bestimmte Gemüse und Kräuter);
  • Verzehr von fettem Seefisch mindestens einmal pro Woche. Glücklicherweise sind v. a. die Heringe derzeit nicht von Überfischung bedroht und noch ausreichend vorhanden;
  • Einsatz von geringen, aber konstanten Mengen an alpha-Linolensäure in der Tierernährung im Vertrauen auf eine Synthese gewisser LCPUFA-Mengen im tierischen Stoffwechsel (analog zur Situation bei wildlebenden Tieren);
  • Biotechnologische Produktion von LCPUFA über spezialisierte Algenstämme (DHA) oder durch gentechnisch veränderte Pflanzen (EPA und ggf. DHA).
  • Da bisher LCPUFA fast ausschließlich – vom Fett im Lachs aus Aquakultur bis zur Fischölkapsel – aus Seetierölen stammen und diese Quelle nicht unerschöpflich ist, dürfen die Möglichkeiten 1, 3 und insbesondere 4 nicht vernachlässigt werden. Schon vor Jahren hat daher das damalige Bundesministerium für Forschung und Technologie mit dem Leitprojekt NAPUS-2000 ein Programm zur Erzeugung von LCPUFA in Rapssaat ("Lachs in Raps") gestartet, an dem derzeit 19 Forschergruppen unterschiedlichster Disziplinen sehr erfolgreich arbeiten.

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