Zu guter Letzt 10/10: Weil wir es uns wert sind?

Unglaublich, aber wahr, dachte ich vor zwei Tagen, als ich nachrechnete, dass mein USA-Aufenthalt als Austausch-Studentin nun schon 18 Jahre zurückliegt. Als angehende Oecotrophologin war ich damals hoch motiviert und interessierte mich besonders für die Lebensmittel-Angebote in amerikanischen Regalen.

Hier fiel mir schon damals das unterschiedliche Lebensmittelangebot in den USA im Vergleich zu Deutschland auf, das ich inzwischen auch hier wiederfinde: eine große Auswahl an Fertig- und Convenience-Produkten und in jedem Supermarkt ein ellenlanges Regal mit Vitamin- und Mineralstoffsupplementen für jede Indikation. Ein guter Freund bat mich damals sogar, ihm ein Multivitaminpräparat per Post zuzuschicken, das in Deutschland nicht erhältlich war. Waren Supplement-Angebote in Deutschland damals doch generell sehr rar.

Ich konnte mir zu dieser Zeit nicht vorstellen, dass Vitamin- und Mineralstoffsupplemente tatsächlich ein Absatzrenner werden würden, eine Ansicht, die ich jedoch schnell revidieren musste. Denn der Markt boomte. Doch warum kaufen Verbraucher Supplemente? Ich glaube, es liegt zum Einen an den Marketing- und Werbebotschaften, die für jede Indikation und jeden vermeintlichen Mangel eine Vitamin- und Mineralstoff„lösung“ anbieten. Es liegt daran, dass Supplemente nicht verderben und jederzeit einfach und ohne Aufwand verfügbar sind und wohl ein gewisses Sicherheitsgefühl vermitteln.

Besonders liegt es aber an den Werten, die mit diesen Produkten assoziiert werden . Nach dem Motto: Tun Sie was für sich, weil Sie es sich wert sind! Der Weg ist also einfach, bequem, und für den Verbraucher mit einem guten Image assoziiert. Eine bessere Strategie gibt es nicht, wenn man verkaufen möchte. Viele Verbraucher (vor allem die Zielgruppe „50plus“) glauben, mit der Aufnahme von Vitamin- und Mineralstoffsupplementen optimal und altersgerecht versorgt zu sein, ein Eindruck, der jedoch trügerisch sein kann. Hartnäckig hält sich auch der Gedanke, dass Vitamin- und Mineralstoffsupplemente aus den USA besonders hochwertig sind.

Die Wertigkeit der Supplemente für Verbraucher ist offenbar klar definiert, doch wie sieht es mit gesunden Lebensmitteln und einer gesunden Ernährung aus? Würde auch hier der Satz funktionieren: Tun Sie was für sich, weil Sie es sich wert sind? Denkt der Verbraucher darüber nach, dass die Qualität seiner täglichen Ernährung für ihn einen Wert darstellt, der anstrebenswert ist oder darüber, was er selbst sich wert ist?

Ich habe so meine Zweifel. Hier müssen meiner Ansicht nach ein Umdenken des Verbauchers und eine Imagebildung für gesunde Ernährung stattfinden. Ich glaube, nur wenn der Verbraucher seine eigene Wertigkeit erkennt, wird er sich Zeit nehmen, Aufwand zu betreiben und im täglichen Ablauf die Ernährung neu priorisieren und sich hoffentlich eher für eine Orange entscheiden als für eine Vitamin-Tablette.

Dipl. oec. troph. Heike Recktenwald

Den vollständigen Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 10/10 auf Seite 576.

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