Schlanker wird meistens nur das Portemonnaie

Die Daten und Fakten sind eindeutig: Jeder zweite Erwachsene ist übergewichtig oder gar adipös. Inzwischen sind in Deutschland normalgewichtige Männer vom 35. Lebensjahr und normalgewichtige Frauen vom 55. Lebensjahr an in der Minderheit. Adipöse Menschen leiden nicht nur an den gesundheitlichen Folgen ihrer vielen Kilos, sondern häufig auch an den psychosozialen Beeinträchtigungen und manchmal auch an der gesellschaftlichen Stigmatisierung. Übergewichtig werden scheint in der Informationsgesellschaft mit Nahrungsüberfluss und Bewegungsmangel Normalzustand zu sein, wenn nicht bewusst gegengesteuert wird.

Und mit den Pfunden steigt von Lebensjahr zu Lebensjahr auch der Leidensdruck. Allmählich reifen die Einsicht und der Wille, das Wachstum der Fettpolster zu beschränken und das Körpergewicht wieder auf Normalmaße zurückzuführen. Viele haben schon mindestens einmal versucht, dem Problem durch Fastenkuren, Reduktionsdiäten oder ein neues Fahrrad beizukommen – allerdings oft ohne den gewünschten langfristigen Erfolg. Versagensvorwürfe und Diätfrust machen sich bereit.
Was des einen Leid ist des anderen Freud: Für die Schlankheitsindustrie stellt das Heer an bisher erfolglos Gewichtsabnahmewilligen eine leichte Beute mit vielversprechendem Umsatz- und Wachstumspotenzial für eine kaum überschaubare Zahl von Schlankheitsmitteln dar. Großspurig wird mit überzeugenden Vorher-Nachher-Bildern eifriger Anwender und griffigen Slogans wie „5 Kilos in 5 Tagen“, mit „Fettabschmelzen im Schlaf“ und anderen Wunderwirkungen geworben. Ganz ohne Anstrengungen, ohne Hunger und Verzicht und quasi über Nacht sollen ein nicht mehr möglich gehaltenes Wunschgewicht und die Traumfigur mühelos Wirklichkeit werden.

Entsprechend vielfältig ist das Angebot in Drogerien, Apotheken, im Einzelhandel und im florierenden Internethandel an Appetitzüglern und -bremsen, an Kohlenhydrat- und Fettblockern sowie Sattmachern in Pillen-, Kapsel- und Pulverform. Durch die Produkte sollen Kalorien eingespart, der Magen besser und länger gefüllt, Kohlenhydrate und Fette an der Absorption gehindert, der Energieverbrauch gesteigert, der Stoffwechsel aktiviert und der Appetit gezügelt werden.
In dem Beitrag von Tobias FISCHER (ab S. M584) wird ein Überblick über relevante Schlankheitsmittel gegeben und eine Bewertung der wesentlichen Wirkstoffe bzw. deren Wirkungsweise auf der Grundlage der wissenschaftlichen Literatur vorgenommen. Die Ergebnisse der Analysen sind mehr als ernüchternd: Die Präparate halten i. d. R. nicht, was die zwar phantasievolle, aber unseriöse Werbung verspricht. Die meisten Produkte sind teuer, überflüssig und führen nicht selten zu unerwünschten Nebenwirkungen.

Weitaus erfolgversprechender, kostenneutral und frei von Nebenwirkungen ist eine bewusste Ernährung, gepaart mit reichlich Bewegung und ggf. der Nutzung professioneller Hilfe.

Ihr Helmut Heseker



Das Editorial finden Sie auch in Ernährungs Umschau 10/16 auf Seite M557.

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