Endokrinologie: Dauer-Stress gefährdet Hormongleichgewicht und fördert Bauchfetteinlagerung

Ständige Überforderung und Überreizung können den Körper unter chronischen Stress setzen. Wenn dieser nicht ausgeglichen wird, droht eine Entgleisung des natürlichen Hormongleichgewichts – mit negativen Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Neben Schlafstörungen und Beeinträchtigungen des Denkvermögens gehören auch schwerwiegende Krankheiten wie Depressionen, Bluthochdruck oder Krebs zu den möglichen Folgen. Ist der Stresshormon-Regelkreis erst einmal nachhaltig gestört, kann seine Erholung Monate bis Jahre dauern.

Stress ist eine natürliche und zunächst positive Reaktion des Körpers zur Bewältigung von Belastungssituationen. Über eine Aktivierungskette, die vom Hypothalamus über die Hirnanhangdrüse bis zu den Nebennieren reicht – die sogenannte Stressachse – bewirkt er die Freisetzung von Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus der Nebennierenrinde ins Blut. Diese Hormone stellen den Organismus mit allen Systemen auf „Angriff“ oder „Flucht“ ein zur Erbringung von Höchstleistungen: Blutglukose und Blutdruck steigen, alle Sinne sind aktiviert. Chronischer, langanhaltender Stress ohne ausreichende Entspannung führt hingegen zu einer Überlastung des Organismus. „Dauerhaft hohe Adrenalin- und Cortisolspiegel im Blut können (…) früh zu Schlafstörungen und Depressionen führen“, sagt Prof. Dr. Jörg Bojunga, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und stellvertretender Klinikdirektor und Leiter des Schwerpunkts Endokrinologie, Diabetologie, Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt.

Gleichzeitig stören die hohen Stresshormonspiegel die Regelkreise anderer Hormonsysteme. So habe die chronische Aktivierung der Stressachse eine hemmende Wirkung auf die Produktion der Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron. Die Folge: sexuelle Unlust bei Mann und Frau. Frauen leiden zudem unter Zyklusstörungen bis hin zum unerfüllten Kinderwunsch. „Stress kann bei Frauen den Eisprung beeinträchtigen.“ Durch die Verbindungen der Stresshormonachse mit Regelkreisen des Immunsystems schwäche zu viel Cortisol zudem das Immunsystem. „Dies kann Infekte, Wundheilungsstörungen und Krebs begünstigen“, so Bojunga. Zudem wirke sich zu viel Cortisol negativ auf den Stoffwechsel aus und fördere die Einlagerung von ungesundem Bauchfett.

Doch Stress lässt sich nicht immer vermeiden. „Menschen, die häufig einer erhöhten Stressbelastung ausgesetzt sind, sollten deshalb wissen, wie sie damit umgehen, um dennoch gesund zu bleiben“, erläutert Prof. Dr. med. Sven Diederich, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Und nicht jeder reagiere gleich auf chronischen Stress: „Veranlagung, problematische Biographien, etwa Missbrauch in der Kindheit, und aktuell belastende Lebensereignisse begünstigen eine Störung der Stressachse“, ergänzt der Endokrinologe. Entsprechend können persönliche Lösungsstrategien zur Stressbewältigung sehr unterschiedlich aussehen. „Ihnen gemeinsam ist jedoch, dass jeder Mensch Raum für Auszeiten vom Stress haben muss, um herunterzukommen“, betont Bojunga. Denn sei das System erst einmal gestört, bräuchte es oft lange, bis es sich wieder erholt.

Techniken zur Stressprävention und -bewältigung könnten erlernt werden. Zudem empfiehlt er, jede Gelegenheit zur Bewegung zu nutzen – sei es auf dem Weg zur Arbeit und Schule oder beim täglichen Einkauf. „Körperliche Verausgabung in vernünftigem Rahmen baut ganz nebenbei Stresshormone ab.“ Auch die Beschäftigung mit Hobbys senke den Stresspegel und stelle das natürlich Gleichgewicht wieder her.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V., Pressemeldung vom 05.09.2018


Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 10/18 auf Seite M533.

Das könnte Sie interessieren
Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung weiter
Es tut sich was in unserem Land weiter
Neue Best-Practice-Empfehlungen der American Gastroenterological Association (AGA) weiter
Behandlung von Adipositas-Erkrankten zukünftig besser koordiniert weiter
Vom Assistenzberuf zu Therapeut*innen weiter
Entwicklungen der Oecotrophologie weiter