Nachschlag 11/2020: „One Pot“-Küche

Jahrhunderte lang war es – mangels anderer Möglichkeiten – zumindest bei unseren bäuerlichen Vorfahren üblich, alles in nur einem Topf über dem offenen Feuer zu kochen. In entsprechenden Freilichtmuseen lässt sich die „gute, alte Zeit“ mit ihren einseitigen und monotonen Rezepten gut studieren.

Die älteste und wahrscheinlich wichtigste Kulturtechnik des Menschen veränderte sich erst, als in bürgerlichen Küchen moderne Herde – erst mit Holz oder Kohle, später auch mit Gas oder Strom befeuert – Einzug hielten und Platz boten für mehr als nur einen Topf und auch noch einen Backofen bereithielten. Zwar gerieten Eintopfgerichte nie gänzlich in Vergessenheit, wurden aber von der feinen Küche mehr und mehr ignoriert und fristeten bald ein kulinarisches Schattendasein. Dabei weisen viele klassische Eintopfgerichte aufgrund des hohen Wassergehalts eine erstaunlich geringe Energiedichte auf und könnten trotz größerer Verzehrmengen wirksam helfen, eine kalorische Überernährung und unerwünschte Gewichtszunahme des Homo sedens – des überwiegend sitzenden Menschen – zu vermeiden. Einige wenige Unverzagte schrieben weiterhin fleißig Kochbücher mit Omas Eintopfrezepten, schafften es aber nicht mehr auf die Kochbuchbestsellerlisten.

Und jetzt das: Kaum umgetauft in One-Pot-Küche und von InfluencerInnen entdeckt, boomt der Markt an Online-Rezepten, Kochbüchern, Pinterest- und Stockfood-Bildern sowie Publikumszeitschriften. Wahre Hymnen werden über diesen Trend gesungen, über die schnelle Zubereitung in nur einem Topf, verbunden mit minimalem Abwasch und Aufräumen. Egal ob Nudel-, Kartoffel-, Quinoa-, Gemüse-, Fleisch- oder Fischgerichte, egal ob regionale oder exotische Zutaten, egal ob als vegane, vegetarische oder low-carb-Variante, ob mit Superfood oder Frei-von-Lebensmitteln, zusammen mit etwas Brühe, Tomatensauce, Sahne oder Wein und einer mehr oder weniger raffinierten Gewürzmischung gelingt das Kochen immer und ist noch dazu im Handumdrehen auf dem Teller.

Die durch die ungewohnte Homeoffice-Situation und durch fehlende Außerhausverpflegung erzwungene Selbstverpflegung hat die Entwicklung möglicherweise weiter befeuert. Erlaubt doch das One-Pot-Kochen auch dem Kochmuffel mit bisher marginaler Kochkompetenz in der Mittagspause die kinderleichte, schnelle Zubereitung. Ein weiterer Vorteil: Man kann auch Vorkochen und einzelne Portionen tiefgefrieren - ein aufgewärmter Rest vom Vortag entwickelt mitunter erst dann das volle Aroma.

Für den Feierabend bietet sich als rustikale Variante für Fans des offenen Feuers das Kochen im alt-modernen Dutch Oven an. Auch hier gibt es inzwischen die Qual der Wahl aus einer schier endlosen Flut an Rezepten, speziellen Dutch Oven-Gewürzen und sonstigen Zutaten. Da zurzeit keine großen Partys angesagt sind, bleibt meist noch Gelegenheit für einen ordentlichen Nachschlag!

Ihr
Helmut Heseker



Diesen Artikel finden Sie wie auch die Vorschau auf die nächste Ausgabe in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2020 auf Seite M688.

PDF Artikel Download für Abonnenten:

Das könnte Sie interessieren
Kongressluft, Kongressduft weiter
Schnittstellendialog „From Farm to Fork“ weiter
Definition „pflanzenbasierte Ernährung“ – ein Anstoß zur Diskussion weiter
Erfolgreicher VDD-Bundeskongress für Ernährungstherapie weiter
Gemeinsam stark: Die Kraft des Ehrenamts in unserem Verband weiter
Prof. Dr. Heiner Boeing neues Ehrenmitglied der DGE weiter