Editorial 05/13: Tiere essen?

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler,
Herausgeber

Wenn man in der Evolution zurück schaut, dann findet man immer gleich nach dem Auftreten einer neuen Spezies den passenden Räuber oder Parasiten. Vom Bakteriophagen über den Tyrannosaurus Rex bis zum Tiger zieht sich dieses Phänomen durch die vegetabile und animalische Welt.

Die Beute-Organismen reagieren darauf durch:

  • gesteigerte Reproduktion
  • spezielle Flucht- oder Versteck-Reaktionen
  • spezifische Abwehrstrategien .

Viele sog. sekundäre Bio-Stoffe gehören in diese Kategorie. Solche Jäger-Beute-Beziehungen tragen zur sog. Co-Evolution bei, v. a. wenn hin und wieder eine Beute gefressen wird (wobei durchaus die erfolgreichen Jäger an den oben genannten Abwehrmechanismen versterben können). Andererseits müssen genügend Beuteorganismen überleben, aus denen dann die mit den wirksamsten Abwehrmechanismen selektiert werden.

Man könnte überspitzt sagen: Das Prinzip der Evolution nimmt ein bestimmtes Maß an „Gefressen werden“ in Kauf, wobei sich ein Gleichgewicht einstellt, bei dem sowohl Beute als auch Jäger als Art überleben. Dies könnte der Freibrief für den Verzehr tierischer Lebensmittel sein. Der Mensch führte allerdings inzwischen eine (fast) einmalige* Variante ein, indem er „Beutetiere“ gezielt züchtet – ja mit einfacheren Organismen (Pflanzen) mästet.

Entschuldigend könnte man anführen, dass er diese hochwertigen Lebensmittel braucht, wie seine Evolutionsgeschichte zeigt. Aber in welchem Ausmaß? Inzwischen ist nämlich das Wissen um die Ernährung so weit vorangeschritten, dass es bei entsprechender Sorgfalt hinsichtlich der Lebensmittelwahl auch zumindest ohne Fleisch geht. Dies bedarf aber eines aktiven Mitdenkens, wie bereits diskutiert (s. Ernährungs Umschau 11/2012, S. 632).

Über obige Problematik lagert sich die zunehmende Erkenntnis, dass Tiere ein mehr oder weniger ausgeprägtes Bewusstsein besitzen – mehr als man ihnen von der Gesellschaft (insbesondere den Kirchen) bisher zugestand (mehr dazu später einmal). Durch den zunehmenden zivilisatorischen Fortschritt wird die Menschheit gleichzeitig bezüglich des Umgangs untereinander und auch mit den Tieren empfindsamer. Der vegetarische (ja veganische) Gedanke wird sich daher weiter verbreiten, zumal noch andere Argumente für eine Reduktion des Fleischverzehrs sprechen.

Für mich ergeben sich daraus folgende Forderungen:

1. Zumindest überlegter und auf jeden Fall sparsamer mit Fleisch umzugehen.
2. Unsere Nutztiere anständig zu behandeln.
3. Durch Forschung und Aufklärung dafür zu sorgen, dass sich bevölkerungsweit Vegetarier und auch Veganer vollwertig ernähren können.

Genießen Sie das frische Frühlingsgemüse!

Ihr Helmut Erbersdobler

*Parallelen im Tierreich könnte man in den Blattschneiderameisen sehen, die in speziell angelegten Bauten Pilzkulturen als Nahrung züchten und diese Pilze hierfür mit Blattstückchen als Substrat versorgen.

Das könnte Sie interessieren
Sternchensuppe weiter
Die Rolle der Ernährungstherapie in der Behandlung von Essstörungen weiter
30 Jahre Diätassistenten-Gesetz: VDD fordert „Novellierung jetzt!“ weiter
Verbände fordern verstärkte Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen zur Steigerung der... weiter
61. Wissenschaftlicher Kongress der DGE weiter
Pflanzliche Speisefette und -öle weiter