Zu guter Letzt: Welche Katastrophe hätten Sie gerne?

Erinnern Sie sich noch an das Buch Der Stumme Frühling? In dem bereits 1962 erschienenen Buch prangerte die amerikanische Biologin Rachel CARSON die Fehlentwicklungen des weltweiten Pestizid-Einsatzes in einem drastischen Katastrophen-Szenario an. Falls nicht, ist Ihnen der 1972 vom Club of Rome veröffentlichte Bericht Die Grenzen des Wachstums vielleicht noch bekannt.

Auf Basis heute teilweise naiv anmutender Simulationsmodelle wurde auch hier der Welt und ihrer menschlichen Bevölkerung eine nicht gerade rosige Zukunft prognostiziert. 1992 kam der aktualisierte Bericht Die neuen Grenzen des Wachstums nur zu wenig optimistischeren Vorhersagen. Weitere mehr oder weniger düstere Zukunftsprognosen folgten , fanden breites Echo in den Medien (ich persönlich erinnere mich an eine Welle von Science-Fiction-Filmen, die jeweils den Untergang der Welt oder zumindest der Menschheit zum Thema hatten) oder wurden durch Gegenstudien diskreditiert.

Nun ist bislang keines der prophezeiten Horrorszenarien wirklich eingetroffen. Hatten also die Kritiker Recht, welche solche Prognosen für unverantwortliche und wissenschaftlich nicht haltbare Panikmache hielten? Oder bewirkten die Worst-Case-Szenarien jeweils gerade noch rechtzeitig einen Bewusstseinswandel und ein Gegensteuern der Menschheit? Letztendlich führte die Kritik in Der Stumme Frühling zum teilweisen Verbot des Pestizids DDT.1 Und die Anstrengungen zum Abwenden des Klimawandels und weltweiter Ressourcenausbeutung durch das Konzept der Nachhaltigkeit sind auch die Folgen eines Umdenkens, ausgelöst durch diese Publikationen.

Im Mai 2012 wurden gleich zwei internationale Berichte veröffentlicht, die eine Zuspitzung u. a. des weltweiten Hungers und des Raubbaus an unseren Lebensgrundlagen ermittelten: der Living Planet Report 2012 des WWF2 und der neue Bericht des Club of Rome 2052 – A Forecast for the Next Forty Years.3 Auch viele ernährungswissenschaftliche Studien zeichnen ein finsteres Bild der Zukunft: die Adipositas-Epidemie, die Diabetes- Epidemie usw. – mit bitteren Konsequenzen für die betroffenen Menschen und praktisch unbezahlbaren Folgen für das Gesundheitswesen der Staaten.

Wieder alles nur Panikmache? Es gibt ja Skeptiker, die meinen, dass gerade die Häufung von Warnungen und Schockmeldungen zur Abstumpfung (ja, ja – alles halb so wild), Lähmung (da kann man eh’ nichts machen) oder zum gezielten Ausblenden dieser Warnungen führt. Hoffen wir, dass dieser Effekt nicht eintritt, sondern jeder Einzelne, aber auch Politik und Wirtschaft die Warnungen nutzen und in Verhaltensänderungen umsetzen. Denn den Kopf in den Sand zu stecken wäre wohl die wirkliche Katastrophe.

Udo Maid-Kohnert

Den vollständigen Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 06/12 auf Seite 360.

1: In zehn afrikanischen Ländern, Russland, Indien und China ist DDT immer noch bzw. wieder im Einsatz, da es als günstigstes Bekämpfungsmittel der Malaria gilt, an der 2010 weltweit schätzungsweise 1,2 Mio. Menschen starben.

2: wwf.panda.org/about_our_earth/all_publications/living_planet_report/

3: Ab dem 15. Juni in englischer Sprache im Buchhandelerhältlich (ISBN 1603584218). Deutsche Fassung geplant.

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