Editorial 07/07: Essen, bis es nicht mehr geht

Dipl. oec. troph.
Heike Recktenwald,
ChefredakteurinÜbergewichtige Menschen in Deutschland wollen gar nicht „abspecken“, das ist die Headline eines Artikels, der in diesen Tagen durch Deutschlands Presse ging. Obwohl die Hälfte übergewichtig ist, halten es viele Deutsche nicht für notwendig, ihr Gewicht zu reduzieren. Im Gegenteil, ihr Eigenbild sagt ihnen: „Meine Figur ist genau richtig!“

Die Quelle dieses erstaunlichen Eigenbildes der Deutschen bietet eine Umfrage im Auftrag der Allianz- Versicherung mit 500 Probanden. „Fühlen Sie sich zu dick“, diese Fragen galt es zu beantworten. Das erstaunliche Ergebnis: Nur 31 Prozent fühlen sich zu dick, darunter mehr Frauen als Männer (25 Prozent).

Obwohl viele Menschen das Körperfett nicht stört und Mann/Frau sich als „Wohlfühldicke“ verstehen, sind 55 Prozent der Befragten in der Allianz-Umfrage nach medizinischen Kriterien übergewichtig. Männer sind nach eigenen Angaben eher zu dick (60 Prozent) als Frauen (51 Prozent). Dennoch läßt das Bewusstsein „übergewichtig“ zu sein, beim Einzelnen wenig Taten folgen.

Die meisten Befragten stören ihre Pfunde nicht und auch die Motivation zum Abnehmen ist eher gering. Nur rund 40 Prozent der Befragten haben den Versuch unternommen, durch eine Diät Gewicht zu reduzieren. Etwa ein Drittel macht darüber hinaus keine großen Anstrengung das Gewicht zu halten und 84 Prozent gaben an, immer das zu essen, worauf sie Appetit haben.

Um erfolgreich Gewicht reduzieren zu können, ist die Einsicht eines Menschen der erste Schritt. Die Motivation ist die Triebfeder, die den Zeitraum der Gewichtsabnahme begleitet und zum Erfolg führen kann. Wenn die Eigenwahrnehmung eines übergewichtigen Menschen nun aber sagt: „Meine Figur ist richtig“, werden die Einsicht und die Motivation zur Gewichtsabnahme fehlen.

Ernährungsfachkräfte arbeiten heute mit großem Engagement, um den Themen Übergewicht, Adipositas und Stoffwechselerkrankungen zu begegnen. Sie arbeiten in interdiziplinären Teams zusammen, machen Schulungsangebote und bieten Präventionsberatungen und Gesundheitstrainings an. Die Unterstützung durch einen Psychologen innerhalb des Teams ist eine große Hilfe, um beim Patienten eine Korrektur des Eigenbildes zu bewirken und den Weg für Einsicht und Motivation zu bereiten. Lesen Sie mehr auf Seite 402.

Das Eigenbild der Menschen und die dringende Notwendigkeit zur Gewichtsabnahme. Was könnte eine Annäherung bewirken? Prof. V. PUDEL rät dazu, das Wort „Essen“ in der Beratung zu verwenden, statt von der „Ernährung“ zu sprechen. „Essen“ soll wieder Freude bereiten und Genuss bedeuten. Es gibt jedoch Rahmenbedingungen und Einflüsse, die die tägliche Entscheidung richtig zu essen erschweren. Lesen Sie mehr auf Seite 373.

Im Kindesalter wird es immer wichtiger die richtige Entscheidung zu treffen, wenn es um „Essen und Trinken“ und die Vermeidung von Übergewicht geht. Können Kinder die richtige Entscheidung eigenverantwortlich treffen – wie ist eine Hinführung zum Thema möglich? Lesen Sie mehr auf Seite 378. Die richtige Versorgung übergewichtiger Kinder und Jugendlicher in Deutschland liegt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sehr am Herzen. Ist eine Vereinheitlichung des Versorgungs- Angebotes anhand leitlinienbasierter Qualitätskriterien möglich? Lesen Sie mehr auf Seite 394.

Sucht man bei Google Informationen unter dem Begriff „Übergewicht“, stellt der erste Hit unter diesem Schlagwort gleich die entscheidende Frage: „Wie alt wollen Sie (gesund) werden?“ – Wir alle haben es mit einem Blick auf unser Eigenbild in der Hand!

Ihre

Heike Recktenwald

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