Verleihung der VDOE-Wissenschaftspreise 2003

v. l. n. r.: Dr. Sandra Schmid,
Bettina Mölter, Dr. Stephanie
Lehmkühler, Dr. Andrea Dittrich
,
Helen Podestat, Eva DeppeIm Rahmen der Jahrestagung 2003 des Verbandes der Diplom-Oecotrophologen e. V. (VDOE) wurden am 27. Juni in Bonn zum 7. Mal die VDOE-Wissenschaftspreise Oecotrophica-Preis und Deutscher Haushaltstechnik-Preis verliehen.
Mit dem Oecotrophica-Preis prämieren der VDOE und das Margarine-Institut für gesunde Ernährung e. V. jährlich herausragende Doktor- und Diplomarbeiten auf den Gebieten Ernährungsverhaltensforschung und Humanernährung. Die mit 2 500 € bzw. 1 250 € dotierten Auszeichnungen werden vom Margarine-Institut für gesunde Ernährung e. V. gestiftet, um den ernährungswissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern.
Mit dem Deutscher Haushaltstechnik-Preis zeichnen der VDOE und der Fachausschuss Haushaltstechnik der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V. (dgh) die beste Diplomarbeit auf dem Gebiet der Haushaltstechnik aus. Der Preis ist mit 2 000 € dotiert.

Der Oecotrophica-Preis 2003 ging im Bereich Ernährungsverhaltensforschung an:
Dr. Stephanie Lehmkühler für ihre Dissertation "Die Gießener Ernährungsstudie über das Ernährungsverhalten von Armutshaushalten (GESA) – qualitative Fallstudien"

Intention der Gießener Ernährungsstudie war es, das Ernährungsverhalten von Armutshaushalten und den damit verbundenen Handlungsweisen im Kontext ihrer jeweiligen Lebenssituation darzustellen. Geringes Einkommen, Arbeitslosigkeit, das Wohnen im sozialen Umfeld eines Brennpunkts, Stigmatisierung, Bildungsarmut, Gesundheitszustand und persönliches Schicksal sind nur einige Faktoren, die sich auf die sozialen und kulturellen Qualitäten des Essens und Trinkens sowie das haushälterische Handeln auswirken. Im Hinblick auf die vielfältigen Einflussfaktoren wurden 15 Armutshaushalte aus dem Gießener Brennpunkt der Weststadt mittels verschiedener qualitativer und quantitativer Methoden interviewt, beobachtet und analysiert.

Es bildeten sich Verhaltensweisen und Missstände heraus, die aus amtlichen Statistiken nicht interpretierbar sind. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Ernährungsverhalten von Armutshaushalten vom Verhalten anderer Verbraucher mit höherem Einkommen unterscheidet. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass ihr Handlungsspielraum wegen finanzieller Engpässe eingeschränkt ist, zum anderen fehlen Fähigkeiten und Fertigkeiten, um die Familienmitglieder mit Essen und Trinken zu versorgen. Des Weiteren sind wenig Kenntnisse über Ernährung, Gesundheit und Haushaltsführung vorhanden. Ernährung, Gesundheit und das damit verbundene haushälterische Handeln stehen nicht im Vordergrund der alltäglichen Probleme und Mangelzustände. Merkmale der materiellen und/oder sozialen Ernährungsarmut treten bei allen untersuchten Familien auf. Ausprägungsformen der sozialisations- und bildungsbedingten Ernährungsarmut wurden in den Familien der alten Armut (Familien, die schon lange Sozialhilfe beziehen) festgestellt.

Zur Verbesserung der Ist-Situation müssen niedrigschwellige Armutspräventionsmaßnahmen mit unterschiedlichen Zugangsweisen entwickelt und umgesetzt werden, bei denen die Lebensweise und die Gewohnheiten der Armutshaushalte berücksichtigt werden (Empowerment-Strategien). Um diese Hilfe zur Selbsthilfe bildhaft darstellen zu können, wurde ein Modell über armutspräventive Netzwerkhilfen zur Stärkung von Ernährungs- und Haushaltsführungskompetenzen entwickelt. Erste Armutspräventionsmaßnahmen wurden geplant und mit den Studienteilnehmern durchgeführt. Der Erfolg: In den Familie wird nicht mehr nur über "das Essen als pure Notwendigkeit" gesprochen, sondern über das "gesunde Essen, das auf den Tisch kommt."

Das derzeitige Wissen über das Ernährungsverhalten von Armutshaushalten reicht nicht aus. Es muss weitere qualitative und quantitative Forschung betrieben werden, um – möglichst vernetzt – politische, ökotrophologische, institutionelle und private Maßnahmen initiieren zu können, die eine positive Entwicklung der Lebenssituation der Betroffenen bewirken.
(Betreuerin: Prof. Dr. Ingrid-Ute Leonhäuser, Justus-Liebig-Universität Gießen) EU08/03/VDOE

Den vollständigen Artikel finden Sie in Ernährungs-Umschau 08/03 ab Seite 320, weitere Mitteilungen der Verbände ab Seite 314.

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