Zu guter Letzt 08/09: ROS – von der Nützlichkeit des Schädlichen

Jenaer Ernährungswissenschaftler beleuchten den Zusammenhang Training – Redoxgleichgewicht – Insulinresistenz

Die Insulinresistenz ist das metabolische Stigma der modernen Industriegesellschaft. Sie betrifft einen Großteil unserer Bevölkerung, entsteht durch eine übermäßige Energiezufuhr plus Bewegungsmangel und bahnt dem metabolischen Syndrom mit nachfolgendem Diabetes Typ 2 den Weg. Eine kontrollierte vierwöchige Intervention1 an 50 gesunden normalgewichtigen jungen Männern untersuchte nun den Zusammenhang von körperlicher Aktivität, Redoxgleichgewicht der Muskelzelle und Insulinresistenz.

Die Teilnehmer unterzogen sich einem 85-minütigen Training an 20 Tagen. Dies führte erwartungsgemäß zu einer Minderung der Insulinresistenz, erkennbar an einer verbesserten Toleranz gegenüber einer Erhöhung der Glukose-Infusionsrate während eines euglykämischen Clamp, einem Anstieg der Adiponectinspiegel und einem Absinken der Nüchterninsulinspiegel im Plasma. Dieser Effekt trat bei Trainierten und Untrainierten ein. Nahmen die Versuchspersonen ein tägliches Supplement mit 1 000 mg Vitamin C plus 400 IE Vitamin E ein, so wurde dieser Anstieg der Insulinsensitivität unterdrückt.

Schlussfolgerung der Autoren: Körperliche Aktivität steigert die Insulinsensitivität durch eine Verschiebung des zellulären Redoxgleichgewichts zugunsten einer erhöhten Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Bei schädlichen Wirkungen der ROS würde man von oxidativem Stress sprechen, was hier aber irreführend ist, werden doch offensichtlich gesundheitlich positive Wirkungen im Stoffwechsel entfaltet.

Die Autoren betrachten ihre Beobachtungen als Beleg für ein kürzlich beschriebenes Konzept, die Mitohormesis. Es besagt, dass eine wiederholte transiente Mehrproduktion von ROS zu einer Stärkung des antioxidativen Systems und einer Steigerung der Insulinsensitivität führt. Quintessenz: Eine Verschiebung des zellulären Redoxgleichgewichts in Richtung Oxidation bedeutet nicht immer Schädigung der Zelle, sondern kann regulatorisches Werkzeug der Zelle sein. Eine Blockierung der Produktion von ROS kann hingegen auch der Gesundheit abträglich sein.

Prof. Dr. Christian Barth, Beirat der Ernährungs Umschau

1 RISTOW et al. (2009) Antioxidants prevent healthpromoting effects of physical activity in humans. www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.0903485106

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