Editorial 08/12: Welthungerhilfe

Ich erinnere mich noch an die 1960er und 1970er Jahre, in denen die Lösung der Ernährungsprobleme in der sogenannten „Dritten Welt“ durch Lieferungen von Proteinkonzentraten – ob Getreide-, Milch-, Fisch- oder sogar Blattprotein – gelöst werden sollten. Dann kamen die ersten Korrekturen an diesem Konzept, der Energiefrage wurde erste Priorität eingeräumt.

In den Folgejahren brachte die „Grüne Revolution“ einige Länder nach oben, half aber nicht überall, und heute überschlagen sich die Rezepte und machen sich z. T. gegenseitig Konkurrenz.

Ich meine, dass zwei Dinge nachweislich keinen Erfolg haben:

  • 1. Mehrproduktion in den Industrieländern und Lieferung der Überschüsse in die entsprechenden Regionen
  • 2. Geldzuwendung an die betreffenden (häufig korrupten) Regierungen, ggf. noch verknüpft mit Übernahmen von Land, Bodenschätzen etc.

Die Probleme müssen vielschichtig und auf regionale Besonderheiten abgestimmt angegangen werden. Das Schlagwort „Hilfe zur Selbsthilfe“ beschreibt es gut, ein wichtiges Ziel muss Erhöhung des täglichen Einkommens der Bevölkerung sein (von mindestens zwei Dollar pro Tag und Person ist immer die Rede). Die besonders notleidende Landbevölkerung (s. die Beiträge ab Seite 448 in diesem Heft) muss nachhaltig in die Lage versetzt werden, Überschüsse zu erarbeiten und zu verkaufen. Dazu müssen ausreichend Land, genügende Mengen an Saatgut, Dünger, Agrar- Chemikalien und Gerätschaften zur Verfügung stehen. Ganz besonders wichtig ist der Zugang zu ausreichend Wasser.

Das Ganze muss koordiniert und z. B. genossenschaftlich geregelt werden. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Beratung. Entscheidend dafür ist die bessere Ausbildung aller, v. a. aber die gesellschaftliche Stärkung der Frauen. Bei entsprechender Bildung und ausreichendem Einkommen werden auch PC, Smartphones mit Apps etc. verstärkt zur Information und Schulung beitragen.

Diese Medien werden dann aber nicht nur land- und betriebswirtschaftliches Know-how verfügbar machen, sondern die Betroffenen in den Entwicklungsländern auch darüber informieren, welche Auswüchse und Irrationalitäten auf dem Ernährungssektor sich in den reichen Ländern dieser einen Welt ereignen. Das gute Beispiel und unsere Verantwortung gegenüber den Menschen in den Entwicklungsländern sollte daher ein viel stärkeres Motiv für eine vernünftige Ernährung in den reichen Nationen sein, als es bisher der Fall ist. Dies gilt v. a. für den Fleischverzehr.

Unsere Hilfe muss selbstlos und ortsangepasst sein. Dies war bisher kaum der Fall. Ein Umdenken – auch hinsichtlich der „Entwicklungshilfe“ – ist dringend nötig.

Es grüßt Sie

Ihr  Helmut Erbersdobler

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