Editorial 08/13: Semper aliquid haeret

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler,
Herausgeber

Übler Nachrede ist zu Eigen, dass auch nach Klärung der Sache „immer etwas hängen bleibt“, wie der obige lateinische Spruch besagt.1 Das gilt auch für die in dieser Ausgabe ausführlich besprochene Arbeit von SÉRALINI et al. .

Schon immer wurde allem Neuen Misstrauen entgegen gebracht, das galt schon bei der Einführung der Eisenbahn. Trotzdem fährt sie seit fast 200 Jahren durch die Lande und die Bevölkerung findet sich offensichtlich mit den vorhandenen Restrisiken ab. Angst macht nur, was man (noch) nicht kennt oder versteht. Diesbezüglich muss man den „Machern“ der Gentechnik Vorwürfe machen, dass sie Neues „auf den Markt gedrückt“ haben, ohne es der Bevölkerung ausreichend zu erklären.

Tatsächlich muss/sollte man alles Neue auf dem Markt genau testen, seien es Importe neuer Lebensmittel, Neuzüchtungen oder sonstige Neuentwicklungen. Neueste Erkenntnisse lassen z. B. vermuten, dass die Gentechnik freie (!) Züchtung von Hochleistungs- Getreide Unverträglichkeitsfaktoren für entsprechend empfindliche Personen kreiert, die zu Zöliakie-ähnlichen Symptomen führen können.2 Das hätte man vorweg testen müssen, was allerdings bei Unverträglichkeit schwierig ist.

Kein neues Lebensmittel wird so sorgfältig und streng geprüft wie solche auf Basis gentechnisch veränderter Organismen. Manche Entwicklungen wurden verworfen, weil die entsprechenden Tests nicht positiv ausgefallen waren. Die Methodik dieser Verfahren muss allerdings wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, was im Fall der Studie von SÉRALINI et al. offensichtlich nicht der Fall war.

Mich stört immer wieder der „Verlust der Mitte“ bei der Skandalisierung unserer Lebensmittel. Einerseits wird über viele Dinge viel Geschrei gemacht, auf der anderen Seite werden viele Missstände übersehen, missachtet – oder in Kauf genommen, weil sie zu wenig skandalträchtig sind.

Im Altertum und Mittelalter haben die Prediger den Weltuntergang vorausgesagt, weil die Menschheit sündig sei. Das gilt noch heute, nur die Art der Sünden hat sich geändert. Dabei bin ich durchaus dafür, dass man nicht sündigen sollte – sowohl im gestrigen als auch im heutigen Sinne.

Freuen Sie sich am Sommer und dem schönen Monat, der den Namen eines römischen Kaisers trägt, der einen relativ guten Ruf hatte und daher den obigen Spruch nicht fürchten musste.

Es grüßt Sie

Ihr Helmut Erbersdobler

Das Editorial finden Sie auch in Ernährungs Umschau 08/13 auf Seite 425.

1Plutarch (125–145 v. Chr.), vollständiges Zitat: „Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen“
 2URL: www.youtube.com/watch?v=3AEhT_9As-U; siehe hierzu auch den kommenden Beitrag von Ute KÖRNER zu Glutensensitivität in der nächsten Ausgabe der Ernährungs Umschau (September 2013).

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