Editorial 08/14: Health Claims – wo stehen wir heute?

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler,
Herausgeber

Unser Beitrag in der Rubrik „Im Focus“ ab Seite M442 beschäftigt sich in diesem Heft mit Health Claims. Kleine und mittelständische Unternehmen , so liest man dort, seien die Verlierer der 2006 erlassenen Health-Claims-Verordnung (HCVO) des Europäischen Parlaments und Rates. Andererseits beklagten große Unternehmen schon im Vorfeld der HCVO deren „innovationshemmende Wirkung“. Man fragt sich demnach, wer hat Nachteile oder Vorteile aus der HCVO und wo stehen hierbei die Verbraucher?

Innovationen (Patente) waren schon immer vorwiegend in der Hand investitionskräftiger Firmen. Auf der anderen Seite können die KMUs auf dem (zugegeben kleiner gewordenen) Feld der zugelassenen Claims – von Vitaminen und Mineralstoffen bis hin zu n3-Fettsäuren – nährstoff- oder gesundheitsbezogene Aussagen machen, wenn sich eine Vermarktungschance auftut. Das geht bis zum kleinen Bäcker, der z. B. mit den b-Glukan-Gehalten in seinen Hafer- oder Gerstenbroten werben kann, wenn die vorgegebenen Bedingungen (u. a. Mindest-Aufnahmemenge, Verzehrhinweise) eingehalten werden.

Innovationen im Gesundheitsbereich sind schwieriger geworden, weil jetzt die Wirkung am Menschen nachgewiesen werden muss, was teuer und aus ethischen oder statistischen Gründen oft nicht möglich ist. Die Fehlschläge mit den Probiotika haben gezeigt, dass trotz gewisser Plausibilität die vorgelegten Studien für eine Anerkennung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nicht ausreichten. Viele Produzenten werden bedauern, dass ihre bisherigen Werbe- Aussagen nicht mehr erlaubt sind.

Dies betrifft insbesondere Firmen, die vorher ohne solide wissenschaftliche Basis mit durchaus hoffnungsvollen Substanzen gearbeitet hatten. Auch wenn dadurch zumeist keine Gefahr für die Verbraucher bestand, blieb die Vortäuschung einer (zweifelhaften) Wirkung. Außerdem bestätigen sich manche hoffnungsvolle Wirkungen nicht, wie das kürzlich vorgestellte Beispiel Resveratrol (s. Heft 7/2014, S. M408) gezeigt hat.

Und die Verbraucher? Die müssten eigentlich zufrieden sein, dass ihnen über den Verpackungsaufdruck und die Werbung in Bezug auf gesundheits- oder krankheitsbezogene Aussagen nicht mehr Unzutreffendes versprochen wird. Nährstoffbezogene Aussagen (z. B. „die Vitamine x und y tragen zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei“) beeindrucken sicher manchen, sind aber nicht wirklich hilfreich. Die Werbebranche findet außerdem immer noch weitere Schlupflöcher für allgemein gehaltene heilsversprechende Aussagen. Wir müssen also aufmerksam bleiben, sonst kochen zu viele ihr Süppchen in der Grauzone des Halbwissens und der Gesundheitsängste.

Es grüßt Sie herzlich

 Helmut Erbersdobler

 Das Editorial finden Sie auch in Ernährungs Umschau 08/14 auf Seite M409.

Die Ernährungs Umschau ist mit Impact Factor gelistet im Indexed Web of Knowledge, www.isiknowledge.com
Alle Beiträge der Rubrik Ernaehrungs Umschau international erscheinen zusätzlich zur deutschen Printversion als Volltext in englischer Sprache und sind über die jeweilige DOI-Nummer frei zugänglich (free access). Bitte zitieren Sie im Sinne unserer Autoren diese Beiträge in der jeweils angegebenen englischen Zitierweise.

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