Editorial 10/06: Winterspeck?

Prof.Dr.Helmut ErbersdoblerRechtzeitig vor der Jahreszeit, in der man gewöhnlich Winterspeck ansetzt, häuften sich diesmal die Events zum Thema Fett in der Ernährung. Neben den Evidenzbasierten Leitlinien der DGE „Fettkonsum und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“, über die bereits berichtet wurde und deren Endversion demnächst erscheint, gab es im September das Wissenschaftliche Symposium der DGE „Fette in der Bewertung der DGE“.

Bereits am 24.10. findet ein weiteres gemeinsam von DGE und GDCh veranstaltetes Symposium über Fettsäuren statt. Soeben endete der alle zwei Jahre stattfindende Euro Fed Lipid Congress zum Thema „ Oils, Fats and Lipids for a Healthier Future“, begleitet von einem Workshop über „Oilseed Rape for a Healthier Future“. Dies zeigt, welche Bedeutung der Fettzufuhr heute zugemessen wird.

Generell führt ein zu hoher Fettverzehr zu Übergewicht, besonders wenn wir Fett in Form von Nahrung mit hoher Energiedichte essen. Das Übergewicht beeinflusst weitere ernährungsmitbedingte Krankheiten – das Fett spielt quasi indirekt mit. Dies gilt auch für den Diabetes, selbst wenn neuere tierexperimentelle Befunde aus dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung einen direkten Einfluss nur den hochverfügbaren Kohlenhydraten zusprechen („glucotoxische Wirkung“).

Die gesättigten Fettsäuren erhöhen v. a. das Plasma-Cholesterol, die Linolsäure hingegen senkt es. Dies ist mit überzeugender Evidenz gesichert. Dagegen gilt für die Wirkung auf den „Endpunkt“ koronare Herzkrankheiten nur der Evidenzgrad „möglich“. Die gesättigten Fettsäuren und n-6-ungesättigten Fettsäuren sind somit nur eine Einflussgröße im multifaktoriellen Geschehen der Krankheit.

Kann man unter diesem Aspekt z. B. Distelöl und linolsäurereiche Margarine noch empfehlen? Die DGE verwies auf die Empfehlungen in der Pyramide. Dort wird Distelöl nicht genannt, aber u. a. Rapsöl, das wegen seines geringen Gehalts an gesättigten Fettsäuren und der günstigen Mischung der übrigen Fettsäuren – moderater Linolsäuregehalt und angemessener Gehalt an α-Linolensäure (ALA) – ein Erfolgsrezept bleibt.

Den Grundstock für unsere Versorgung mit den langkettigen n-3-Fettsäuren bildet nach wie vor die Eigensynthese von Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) aus ALA, auch wenn mit hoher individueller Variabilität nur etwa 7–8 % der ALA umgewandelt werden. Dies zeigen Studien mit isotopenmarkierter ALA, über die auch in Madrid berichtet wurde (vgl. auch Ernährungs-Umschau 8/2006, S. 327–328).

Ergänzend dazu sollte mindestens einmal wöchentlich fetter Seefisch (Hering, Makrele, Sardinen-/Sardellenarten, Thun, Lachs) verzehrt werden. Ob das ausreicht und wie viel EPA und DHA wir wirklich zusätzlich brauchen, blieb umstritten, auch in der DGE-Pressekonferenz.

Eine interessante Möglichkeit, die Zufuhr etwas aufzubessern, ist die Erhöhung der EPA-Gehalte in Fleisch und Milch durch Gaben von ALA an Nutztiere. Diese synthetisieren daraus EPA genau so gut wie der Mensch, zumindest die Monogastrier (z. B. Schweine und Geflügel). Aber auch bei den Wiederkäuern entkommt einiges ALA aus dem Weidegras dem Fermentationsreaktor Pansen.

Eine Sonderstellung nehmen Säuglinge und Kleinkinder ein. Sie benötigen die langkettige n-6-Fettsäure Arachidonsäure (ARA) und die DHA für die Entwicklung von Retina und Gehirn. Diese Fettsäuren erhalten sie über die Muttermilch, wenn die Mutter sich entsprechend ernährt, wobei Probleme bei veganischen Müttern auftreten können. Ob man stillenden Müttern Ergänzungspräparate empfehlen und industriell gefertigte Säuglingsnahrung mit ARA und DHA anreichern soll, wurde diskutiert.

Insgesamt zeigte sich, dass noch an vielen Stellen Forschungsbedarf besteht. Es empfiehlt sich aber auf jeden Fall, auf die gesättigten und die n-3-Fettsäuren zu achten. Dann wird auch der Winterspeck weniger gesättigte Fettsäuren enthalten, was sicher gut ist – es sei denn, Sie wären Bauchtänzer(in).

In diesem Sinne

Ihr

Helmut Erbersdobler
 

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