Nutricia-Wissenschaftspreis: Neue Erkenntnisse zum Aroma der Muttermilch

Für ihre Arbeit zum Aroma von Muttermilch hat die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Andrea BÜTTNER von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg den Nutricia-Wissenschaftspreis zur Erforschung des Stillens und der Muttermilch erhalten, der in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben wurde.

„Die Ursprungsidee für unser Projekt war eigentlich eine differenzierte Untersuchung, wie Aromen vom Stoffwechsel des Menschen verarbeitet werden und welche Faktoren das Aromaprofil von Muttermilch prägen“, berichtet BÜTTNER. Geschmackspräferenzen und Akzeptanzmuster enstehen überwiegend in kritischen Phasen des Lebens, insbesondere – so nimmt man an – in der frühen Kindheit, z. T. bereits kurz vor und nach der Geburt.

Zunächst wurden per Gaschromatografie die potentesten Aromastoffe der Muttermilch identifiziert und ihre Struktur mithilfe der Nase und chemischer Analysemethoden aufgeklärt.1 Anschließend wurden Säuglinge mit ausgewählten, vermutlich charakteristischen Geruchsstoffen aus Muttermilch konfrontiert und ihre Mimik oder körperliche Reaktionen wie Kopf- Wegdrehen oder Leck-Bewegungen analysiert. Es stellte sich heraus, dass es kein „Superaroma“ gibt, das der Muttermilch eine einzigartige Anziehungskraft für den Säugling verleiht. Ein erster Verdacht fiel zwar auf Androstenon, einen typischen Geruchsstoff des Menschen, doch obwohl die Babys schon kleine Konzentrationen riechen konnten, zeigten sie Reaktionen, die eher auf Ablehnung schließen ließen.

Ob es daran liegt, dass nur eine Einzelkomponente und nicht das Gesamtbouquet getestet wurde? Die Frage können die Wissenschaftler bislang nicht beantworten: „Solche Test sind äußerst zeitaufwändig und die möglichen Kombinationen der einzelnen Geruchsstoffe in der Muttermilch hoch komplex“, meint BÜTTNER. „Interessant dennoch, dass ein eigentlich typischer Humangeruchsstoff als Einzelsubstanz offenbar für Säuglinge nicht attraktiv ist.“ Wichtig waren zudem v. a. folgende Erkenntnisse: Nicht alle Stoffe oder Aromen, die stillende Mütter mit der Nahrung zu sich nehmen, gehen eins zu eins in die Muttermilch über; bspw. waren die Aromen aus Fischöl(kapseln) oder Stilltees (selbst bei bis zu 1 L pro Tag) kaum nachzuweisen.

Nur ganz bestimmte Stoffe und Substanzklassen gehen in die Muttermilch über, vermutlich diejenigen, die bspw. auch über Körperflüssigkeiten wie Schweiß abgesondert werden. Bisher wurde immer pauschal angenommen, dass alle konsumierten Substanzen sich auch in der Muttermilch wiederfinden. Als Konsequenz der Ergebnisse steht nun in Frage, ob Muttermilch tatsächlich spätere Geschmacksvorlieben prägt oder, entgegen der weit verbreiteten Meinung, dies nur in wenigen Fällen tut. „Mindestens ebenso spannend wäre zu diskutieren, ob und in welcher Weise der mütterliche Organismus eine Kontrollfunktion übernimmt“, meint BÜTTNER.

Ein weiteres Ergebnis der Studie kam auch für die Forscher überraschend: Die Warnfunktion, die einem als ekelhaft empfundenem Geruch bei Nahrung nachgesagt wird, scheint nicht angeboren, sondern möglicherweise, zumindest im Fall von Fehlaromen durch Fettsäureoxidation, erlernt: Die Forscher untersuchten Muttermilch, die rund zwei Monate lang bei –20 °C eingefroren war.

Im Gegensatz zu Kuhmilch verändert sich das Aroma von Muttermilch im Gefrierfach durch die Oxidation ungesättigter Fettsäuren dramatisch: Die aufgetaute Milch verströmt einen ranzig-fischigen Geruch, der bei Erwachsenen eher Brechreiz auslöst – der Popularität beim Baby aber i. d. R. offenbar keinen Abbruch tut. „Die Säuglinge trinken also genau genommen etwas, vor dem uns Erwachsene unser durch Erfahrung geprägter Geruchssinn warnt“, berichtet die Wissenschaftlerin. Auch dies wollen die Forscher intensiver untersuchen. Vermeiden lässt sich übrigens der Prozess bei einer Aufbewahrung in einem Gefrierschrank bei –80 °C – im Privathaushalt kaum machbar, wohl aber im Klinikum bspw. auf der Frühchen-Station – sofern ein entsprechender Gefrierschrank vorhanden ist.

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Pressemeldung vom 25.10.2013

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 12/13 auf Seite M667 bis M667.

1Zur Analytik von Aromen s. auch den Beitrag von SELZER ab S. M684 in diesem Heft.

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