Alter ist kein Unfall der Biologie

Ende Januar fand im Referat Fortbildung der DGE erstmals das dreitägige Seminar „Ernährung im Alter und im hohen Alter“ statt. Aus ganz Deutschland reisten 28 Diätassistenten, diätetisch geschulte Köche, Diplom-Oecotrophologen und Pflegefachkräfte an, um sich über die Lebenssituation und Ernährungsprobleme der am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppe zu informieren und konkrete Lösungsstrategien mit nach Hause zu nehmen.

Prof. Helmut Heseker, Universität Paderborn, ging in seinem Referat „Demographie und Definitionen“ zunächst auf die Veränderung der Alterspyramide der letzten 100 Jahre ein und erläuterte die auf die Lebensjahre bezogene chronologische Alterseinteilung. Ebenso wichtig sei auch die Einteilung auf Grund der körperlich und geistig-seelischen Funktionen. Danach lassen sich folgende Gruppen definieren: Unabhängig lebende Senioren , hilfsbedürftige Senioren („slow goes“) und pflegebedürftige Senioren („no goes“). Unter dem Stichwort „Alternstheorien“ machte Prof. Heseker deutlich, dass interne und externe Faktoren am Alterungsprozess beteiligt sind und die gegenseitigen Wechselwirkungen auch den Gesundheitszustand im Alter mitbestimmen. Im anschließenden Themenschwerpunkt „Altersassoziierte Veränderungen von Organen und Organsystemen“ stellte er anhand der Paderborner Seniorenstudie (PASS 2000) die mit dem Alter einhergehenden physiologischen Veränderungen dar. Bedeutsam für die Ernährung und den Ernährungsstatus sind unter anderem Kau- und Schluckstörungen, die häufig mit Appetitmangel verknüpft sind und somit Mangelernährung begünstigen. Neben den körperlichen Beeinträchtigungen sind auch die geistig-seelischen Veränderungen von großer Relevanz; der Verlust an Kompetenz und Lebensqualität führe oftmals zur Pflegebedürftigkeit. Dies könne mit erheblichen Konsequenzen für die Ernährung und den Ernährungszustand verbunden sein.  Insbesondere die „Ernährungssituation von Senioren“ in Alteneinrichtungen und Krankenhäusern sei defizitär, so Prof. Heseker. In dem Zusammenhang stellte er Daten aus der Bethanien-Ernährungsstudie [BEST, Schlierf et al. 1996] vor. Bei geriatrischen Patienten sei Mangelernährung wesentlich häufiger als z. B. bei gleichaltrigen „freilebenden“ Senioren. Mangel-/Unterernährung zählen bei Hochbetagten zu den am häufigsten übersehenen Befunden. Dr. Almut Schmid, Universität Paderborn, ging am 2. Tag der Veranstaltung auf die „Risikofaktoren und Diagnostik der Mangel-/Unterernährung“ ein. Auf Grund der weitreichenden Konsequenzen einer Mangel-/Unterernährung sei eine rechtzeitige Diagnose wichtig. Nach wie vor sei allerdings unklar, welche diagnostische Methode die höchste Glaubwürdigkeit habe. Daher werde eine Kombination aus klinischen und biochemischen Parametern empfohlen. Des Weiteren zeigte die Referentin „Möglichkeiten zur Verbesserung der Ernährungssituation“ auf.  Solange wie möglich sollte die orale Nahrungszufuhr Priorität haben; dazu leisten „Fingerfood” und „eat by walking“ einen guten Beitrag. Flüssige Zusatznahrungen steigern die Nährstoff- und Energiezufuhr, setzen aber eine normale Schluck- und Verdauungsfunktion voraus. Die enterale Ernährung mittels PEG-Sonde (perkutane endoskopische Gastrostomie) stellt die nächste Stufe zur Behandlung der Malnutrition im Alter dar. Neben Hinweisen zur Substratauswahl und Dosierung ging Dr. Schmid auch auf die unterschiedlichen Standpunkte hinsichtlich der Indikation bzw. Kontraindikation einer PEG bei Demenz ein und thematisierte damit wichtige ethische Aspekte.  Schwerpunkte des Abschnitts „Ernährung bei häufigen Alterserkrankungen und Symptomen“ waren unter anderem therapeutische Maßnahmen bei Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie sowie bei Hyperlipidämien. In dem Zusammenhang wies Dr. Schmid auf zu bedenkende Probleme und Risiken diätetischer Interventionen bei Hochbetagten hin.Am 3. Tag stellte Renate Frenz, Ernährungsberaterin DGE, Hösel, „Altersassoziierte Ernährungsprobleme und Möglichkeiten zur Verbesserung der Ernährungssituation“ und deren praktische Umsetzung innerhalb von Senioreneinrichtungen dar.  Grundlage der Verpflegung ist die Vollkost/Leichte Vollkost, von der entsprechende diätetische Kostformen abgeleitet werden. Neben den dargestellten Ernährungsproblemen sei auch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass jeder Tischgast traditionelle Ernährungsgewohnheiten habe, die Ausdruck und Teil seiner Lebensgeschichte und seiner individuellen Persönlichkeit sind. Elisabeth Wienken, DGE, Referat Fortbildung.  Aufgrund der großen Nachfrage und der positiven Resonanz wird das Seminar „Ernährung im Alter und in hohen Alter“ am 15. und 16. September 2004 erneut angeboten. Weitere Mitteilungen der Verbände finden Sie in Ernährungs-Umschau 04/04 ab Seite 149.

PDF Artikel Download für Abonnenten:

Das könnte Sie interessieren
Sternchensuppe weiter
Die Rolle der Ernährungstherapie in der Behandlung von Essstörungen weiter
30 Jahre Diätassistenten-Gesetz: VDD fordert „Novellierung jetzt!“ weiter
Verbände fordern verstärkte Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen zur Steigerung der... weiter
61. Wissenschaftlicher Kongress der DGE weiter
Pflanzliche Speisefette und -öle weiter