Zu guter Letzt: Wetten dass ...

Wer das letzte halbe Jahr – freiwillig oder unfreiwillig – die gedruckt oder online verbreiteten Boulevard-Nachrichten verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass nicht die Energiewende oder die Eurokrise, sondern die Suche nach geeignetem Showmaster-Nachwuchs die deutschen Gemüter am meisten bewegte.

Deutlich weniger Schlagzeilen machte dagegen Anfang 2012 eine Rüge, die der Bankenverband gegenüber einem großen deutschen Geldinstitut aussprach. Es ging um eine Anlageform, bei der auf die Lebenserwartung von 500 real existierenden Menschen „gewettet“ wurde. Kritiker sahen diese Geldanlage, deren Rendite umso höher ausfiel, je früher die betreffenden Menschen verstarben, als zynisch an. Anleger, die nachträglich Skrupel plagten, konnten daraufhin ihre Einlagen vorzeitig abziehen.1

Die Branche selbst hält dagegen: „Sie erwerben ein Portfolio von überwiegend Risiko-Lebensversicherungen, deren Ablaufleistung generell vom Ableben der Versicherten [...] abhängt. Sie investieren als Versicherer und „wetten“ auf die Lebenserwartung ; der Ertrag ist also recht unabhängig von der Konjunktur...“2

Nun ist das mit der Ethik so eine Sache: Je weiter wir vom unmittelbaren Geschehen entfernt sind – dem frühen Ableben von Versicherten, den zusammengepferchten Schlachttieren in der Massentierhaltung oder auch den Hungernden in Kriegs- bzw. Dürregebieten, desto leichter fällt es uns, die Konsequenzen unseres eigenen Handelns und Gewinnstrebens auszublenden. Da sind dann wohl unangenehme Mahner als „Laus im Pelz“ unserer Wohlstandsgesellschaft nötig, um Änderungen zu bewirken: So will aktuell die DekaBank aus der Spekulation mit Grundnahrungsmitteln aussteigen.

In einem Brief an die Verbraucherorganisation foodwatch kündigte die Fondsgesellschaft der Sparkassen an, die im Fonds „Deka-Commodities” angebotenen Wetten auf wichtige Agrarrohstoffe bis zum Jahresende aus dem Portfolio zu streichen. „Wir haben uns [...] entschlossen, in Deka-Commodities zukünftig auf die Abbildung der Preisentwicklung von Grundnahrungsmitteln, wie zum Beispiel Weizen, Soja oder Vieh, zu verzichten.“

foodwatch hatte die Banken im Oktober 2011 aufgefordert, sich aus der Spekulation mit Agrarrohstoffen zurückzuziehen und in dem Report „Die Hungermacher“ zahlreiche Belege dafür publiziert, dass solche Anlagen zu einem tatsächlichen Anstieg der Lebensmittelpreise führen und so in armen Teilen der Erde Hunger verursachen. 3

In der Ernährungs Umschau werden wir dem Thema Welternährung in der zweiten Jahreshälfte ein Special widmen. Wetten, dass auf diesem Gebiet noch viel Handlungsbedarf besteht?

Udo Maid-Kohnert

Den vollständigen Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 05/12 auf Seite 304.

1www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,816993,00.html
2www.wagniskapitalfonds.de/lebensversicherungsfonds.htm Zugriff am 11.04.12
3foodwatch-Pressemeldung vom 11. April 2012

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