Editorial 5/2025: Tägliche(s) Schlachten

Jetzt in der wärmeren Jahreszeit ziehen wieder Duftgemische von Holzkohle, Propangasbrennern, Smokern und Grillgut durch Gärten und öffentliche Parks. Metzgereien/Fleischereien haben Hochkonjunktur beim Zubereiten von Grillfackeln, -schnecken, -steaks und vielen anderen Zubereitungen. Und ähnlich wie die PKWs in Deutschland in den letzten Jahren zu monströsen SUVs hypertrophierten, hat manches Grillgerät mittlerweile die Abmessungen eines Betonmischers angenommen.

6,8 Mio. Tonnen (Schlachtgewicht) Fleisch und Wurstwaren verzehrten wir 2023 in Deutschland1, 2. Dafür wurden in 2023 pro Jahr 745 Millionen3 Tiere geschlachtet – 2 Millionen pro Tag. Bezogen auf die damalige Bevölkerungszahl waren das rechnerisch 9 Tiere pro Jahr pro Person.
Wohl kaum ein Thema rund ums Essen wird so komplett ausgeblendet, wie die Tatsache, dass für das Steak oder die Wurst auf dem Teller Tiere getötet werden. Während Befragungen zu Haltungsbedingungen der Nutztiere fast noch medialer Alltag sind (Stichwort „Tierwohl-Label“), wird dem Thema Schlachten deutlich weniger Raum zugestanden.
Und wie immer, wenn ausgeblendete, ja verdrängte Vorgänge einmal angesprochen werden, wird die Debatte schnell emotional. Auch bei uns in der Redaktion gab es Diskussionen darüber, ob und in welcher Form wir den Beitrag Kinder erleben die Schlachtung eines Nutztieres ab Seite M294 in den Redaktionsplan aufnehmen. Letztlich haben wir uns dafür entschieden, nicht zuletzt, da wir uns gerade in Zeiten befinden, in denen unangenehme Tatsachen vermehrt ausgeblendet, Fakten verdreht oder gar geleugnet werden. Und Fleisch ist aufgrund seiner Bedeutung in der Esskultur, als Wirtschaftsfaktor, als gesundheitsrelevantes Lebensmittel und nicht zuletzt als bedeutender Nachhaltigkeitsfaktor nun einmal im Zentrum unseres Ernährungssystems.
Um es klarzustellen: Das vorgestellte Projekt aus dem österreichischen Ernährungsbildungsprogramm „Schule des Essens“ bewertet nicht, ob wir Tiere töten „dürfen“ oder ob wir Fleisch essen „dürfen“ – es untersuchte unter psychologischer Begleitung lediglich, „wie ein guter erfahrungsbezogener Zugang zur Realität der Tierschlachtung für Kinder geschaffen werden kann“. Denn Zugang zur Realität ist eine Voraussetzung für Abwägungen, offenen gesellschaftlichen Diskurs und letztlich individuelle Entscheidungen.

Ihr Udo Maid-Kohnert

________________________
1 www.v-d-f.de/news/pm-20240425-0005. Rund 2 Mio. t Fleisch wurden importiert und rund 3 Mio. t exportiert.
2 www.ble.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/240404_Fleischbilanz.html 
3 https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/schlachtzahlen-fleischverzehr-2023 



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2025 auf Seite M265.

Das könnte Sie interessieren
Befindlichkeitsstörungen weiter
© SasinParaksa/iStock/Getty Images Plus
Künstliche Intelligenz (KI) à la carte weiter
© monkeybusinessimages/iStock/Getty Images Plus
Kostenfreies Schulmittagessen aus dem Bildungspaket – Hürden abbauen, Teilnahme erhöhen weiter
Warum Berufspolitik uns alle angeht – und was die neue Regierung für Ernährungsexpert*... weiter
VDD-Bundeskongress 2025: Ernährungstherapie im Fokus – fachlich, politisch, praxisnah weiter
DGE-Wissenschaftlerin Anne Carolin Schäfer mit Dr. Rainer Wild-Preis ausgezeichnet weiter