Zu guter Letzt 6/17: Wettrüsten

Seit einiger Zeit ist es verdächtig ruhig an der Front der Food-Fakes, der Lebensmittelplagiate und -fälschungen. Wir sollten uns aber nicht zu sehr in Sicherheit wiegen.

Da gut gemachte Fälschungen für Verbraucher/- innen meist kaum erkennbar sind, beim Lebensmittelkauf Geiz weiterhin geil ist und von zu wenigen Kontrolleuren in Lebensmitteln üblicherweise nur das gefunden wird, was auch gesucht wird, sind für kriminelle Elemente die Risiken, erwischt zu werden, überschaubar gering. Und wenn beim Umdeklarieren, Panschen und anderen Tricksereien ebenso fette Gewinnspannen wie im Drogengeschäft locken, aber allenfalls Peanuts-Strafen drohen, dann ist die Mafia nicht weit und die nächste skandalträchtige Gesetzesübertretung absehbar.

Leicht vergessen wird, dass Lebensmittelskandale eine jahrtausendlange Tradition haben. Der babylonische Codex Hammurapi aus dem 17. Jh. v. Chr. gilt als der älteste überlieferte Versuch, die Lebensmittelproduktion strengeren Vorschriften zu unterwerfen. Dann im Mittelalter sah sich die Obrigkeit gezwungen, ein später jahrhundertelang gültiges Reinheitsgebot für Bier zu erlassen und für allerlei Lebensmittelfälschungen drastische Strafen vorzusehen.

Die Liste der aktuelleren Unappetitlichkeiten ist lang und erforderte immer aufwendigere Laboranalysen: mit Kupfer-Sulfat-Lösung gefärbte Oliven, mit Zuckersirup gestreckter Honig, mit Erdnüssen vermischte Pinienkerne, Tierarzneimittel oder Pestizide in Kalbfleisch, Milch, Honig und anderen Lebensmitteln, Melamin in Säuglingsmilchnahrung, Pferdefleisch in der Lasagne, als Wild deklariertes Känguru … und alles heruntergespült mit einem sündhaft teuren Gläschen 1982er Château Le Pin oder 1947er Château Lafleur aus der Fälscherwerkstatt des genialen Rudy KURNIAWAN. Während einige dieser Delikte allenfalls Ekel hervorrufen und vielleicht zu einem Ausbleiben des erwarteten emotionalen Nutzens führen, sind andere mit einem hohen Gesundheitsrisiko, auch schon mal mit tödlichem Ausgang, assoziiert, wenn z. B. Erdnussallergiker einen derartigen Pinienkernmix erwischen oder die vermeintliche Nobelspirituose mit Methanol verunreinigt war. Die Lebensmittelüberwachung hatte es bisher nicht leicht, den immer ausgefeilteren Methoden der Fälscher auf die Schliche zu kommen. Auch den von den einstigen Ernährungsministern SEEHOFER und AIGNER in ihrer Not ausgerufenen 10-Punkte-Plänen zur Lebensmittelsicherheit fehlte bisher der durchschlagende Erfolg.

Aber jetzt wurde eine neue Phase des Wettrüstens zwischen Hase und Igel eingeläutet. Mit „FoodAuthent“ wird u. a. vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein System zur Analyse und Verwertung von Produktauthentizitätsdaten unter Nutzung der Fingerprint-Analytik entwickelt. Auch informationstechnisch ist jetzt alles High-Tech: Datamining, multivariate Datenanalyse und Aufbau einer cloudbasierten Lebensmittel-Fingerprint-Datenbank.

Ob das alles reicht? Warten wir gespannt ab, wie das Fälschungsbusiness auf diese geschäftsbedrohende Kampfansage reagieren und seinerseits nachrüsten wird.

Ihr Helmut Heseker



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 6/17 auf Seite M360.

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