Editorial 2/2023: Über Chatbots in der Ernährungswelt

Kaum ein Thema wird in Wissenschaft und Forschung so gehypt, wie die Künstliche Intelligenz (KI). Neue KI-Lehrstühle, Institute und Start-ups wurden geschaffen und praktische Anwendungen finden sich in fast allen Lebensbereichen. Mit KI ausgestattete digitale Schreib- und Sprechassistenten mit entsprechenden Algorithmen beherrschen inzwischen Sprache und Textgenerierung fast perfekt. Die sich abzeichnenden Entwicklungen werden unseren Alltag in vielerlei Hinsicht drastisch verändern, ob wir das wollen oder nicht.

Heute begegnet uns KI – oftmals ohne, dass wir es bemerken – z. B. in vielen Hotlines und Online-Portalen. Vieles, was vor kurzem noch undenkbar schien, ist längst eingetroffen: So können mit Hilfe der KI sogar lyrische Verse gedichtet oder Bilder in einem vorgegebenen Kunststil generiert werden. Ein neuer Star am digitalen Himmel ist der von Open AI entwickelte Chatbot GPT, in dem von den EntwicklerInnen enorm große Textmengen eingespeist wurden. Über eine intuitive, bedienerfreundliche Chat-Oberfläche können Fragen oder Befehle eingegeben oder ein Dialog mit dem Programm geführt werden. Algorithmen leiten aus den zur Verfügung stehenden Texten Bedeutungszusammenhänge ab und produzieren den gewünschten Text.
ErnährungsberaterInnen machen im Prinzip nichts anderes: Auf der Grundlage ihres erlernten und gespeicherten Wissens geben sie persönliche Ernährungsempfehlungen zu bestehenden Ernährungsproblemen. Es ist davon auszugehen, dass Chatbots, entsprechend programmierte Apps oder WhatsApp Professional sehr bald vermehrt in der digitalen Ernährungsberatung eingesetzt werden. Vorstellbar ist, dass durch diese anonyme Form, einerseits die Hemmschwelle, sich beraten zu lassen, vermindert wird; anderseits könnte aber auch evtl. der Gang zu einer klassischen Ernährungsberatung als überflüssig erachtet werden. Unser Redaktionsleiter Udo Maid-Kohnert hat den (noch) kostenlosen Chatbot GPT einmal für uns ausprobiert, mit einem erstaunlichen, um nicht zu sagen erschreckend positiven Ergebnis ( S. M115).
Und liebe DozentInnen: Ihre Studierenden haben längst entdeckt, dass sich mit Hilfe eines Chatbots Studienarbeiten in wenigen Sekunden zu vorgegebenen Themen erledigen lassen. Wundern Sie sich daher bitte nicht, dass die Arbeiten besser sind, als Sie dies von einigen Studierenden erwartet haben: flüssig geschrieben, gut strukturiert und ohne grammatikalische Fehler. Selbst bei einer Plagiatssuche dürften diese Arbeiten unauffällig bleiben, ganz einfach deshalb, weil es keine (klassischen) Plagiate sind. Ein Chatbot vermag zwar vielleicht eine in sich stimmige Arbeit zu schreiben. Es darf aber bezweifelt werden, dass damit echtes Fachwissen erworben und im Langzeitgedächtnis gespeichert wird. Problematisch dürfte auch sein, wenn Begutachtung und Bearbeitung ebenfalls durch einen Chatbot erfolgen.
Pessimistische Stimmen befürchten schon, dass es in Zukunft weder JournalistInnen noch (Ernährungs-)BeraterInnen benötigt. Umso wichtiger erscheint es, dass Sie sich frühzeitig und intensiv mit der Thematik auseinandersetzen und z. B. wissen, dass GPT ein Textgenerator und kein Recherche-Instrument ist, mit dem Ziel, eine statistisch plausible, gut klingende Antwort zu generieren. Die Richtigkeit scheint dabei weniger bedeutsam zu sein. Zunächst aber können Sie, liebe Leserinnen und Leser, ganz beruhigt sein: Dieses Editorial wurde noch auf altmodische Art und Weise mit Natürlicher Intelligenz (NI) erstellt. In Zukunft hilft uns dann vielleicht ein Chatbot, ein Editorial runder, informativer und eleganter zu schreiben.

Ihr Helmut Heseker



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2023 auf Seite M65.

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