Zu guter Letzt 03/2016: Nudging – Verführung zur Gesundheit

Vor gut zehn Jahren schrieb ich mit Blick auf die Verbesserung der Effizienz der Ernährungsberatung: „Neue Strategien unter Einbeziehung moderner, psychologisch perfektionierter Marketingkonzepte zur Übertragung der wissenschaftlichen Empfehlungen in die praktische Ernährung, bzw. auf das Verzehrverhalten müssen gesucht werden.“1

Mir war damals nicht klar, wie dies möglich gemacht und v. a. finanziert werden könnte, da die Werbemittel der Wirtschaft übermächtig erschienen. Wie fast immer in unserer Gesellschaft muss der Anstoß – verbunden mit einer griffigen Bezeichnung – aus dem englisch/US-amerikanischen Sprachbereich kommen. So haben wir jetzt das Nudging, das sich als raffinierte Maßnahme der positiven Beeinflussung der Verbraucher rasant verbreitet (=> Beiträge in diesem Heft). Obwohl noch nicht evaluiert und langfristig bestätigt, erscheint es mir geeignet, im Konzert mit anderen Maßnahmen die Verbraucher zu erreichen.

Für manche dürfte Nudging eine maßvollere Alternative zu rigideren Maßnahmen (z. B. Fettsteuer) sein, andere halten vielleicht beides (Nudging und Gesetze) für besser. Diese Problematik soll hier nicht vertieft werden.

Sei es wie es wolle, es kann nur besser werden. So hilflos wie hinsichtlich der „gesunden Ernährung“ war man bisher nur mit den Anti-Raucher-Kampagnen. Aber eines Tages – waren es die hohen Steuern, die Packungsaufdrucke, die Verbannung der Raucher aus allen öffentlichen Räumen oder alles zusammen – sah man Erfolge. Vielleicht klappt das ja auch ähnlich im Bereich der Ernährung.

Ein anderes Problem ist die Frage, mit welchen Zielen man Nudging betreibt. Die Szenerie unserer Ernährung ist ja inzwischen äußerst aufgefächert – von Low Carb bis Low Fat, von Paläo-Diät bis zu Vegan. Alle haben sie ihre Propheten und einige auch einen mehr oder weniger wissenschaftlichen Hintergrund. Müssen wir dann die Verbraucher informieren, was gemeint ist? Veggi-Nudging? Low Carb-Nudging? DGE-Nudging? Und was passiert, wenn die Firmen im Gegenzug ihre „Nudging“-Maßnahmen im Marketing auch weiter ausbauen? Die Werbung ist auf diesem Feld ohnedies schon weiter (s. oben).

Ich meine, auf jeden Fall hat die Ernährungsberatung mit Nudging ein zusätzliches Instrument – und nicht das schlechteste.

In diesem Sinne herzliche Grüße

Ihr Helmut Erbersdobler

1 Erbersdobler H. Ernährung im Wandel der Zeit. In: DGE (Hg). 50 Jahre DGE. Biedermann, Parsdorf (2003)



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 03/16 auf Seite M188.

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