Zu guter Letzt 05/13: Grüne Soße mediterran

Zugegeben, ich meckere manchmal über charakterschwache Mitmenschen, die bereits im April die ersten frischen Erdbeeren im Supermarkt erstehen, ohne sich viele Gedanken um die Ökobilanz dieser weitgereisten und oft nicht gerade geschmacksintensiven Früchte zu machen. Schließlich geht doch nichts über saisonal und regional – oder? Außerdem gehört die Fähigkeit zum Aufschub von Gelüsten doch zum Erwachsensein und beweist sittliche Reife, also gerne noch ein, zwei Monate warten bis zur köstlichen Erdbeertorte.

Allerdings hat dieser extrem lange Winter meine ecological correctness nicht nur auf eine harte Probe gestellt, sondern letztendlich untergraben. So ist für mich der April einfach die Zeit für Grüne Soße – auch wenn wir Mittelhessen diese nicht ganz nach „Frankfurter Art“ zubereiten. So kommen dafür, ganz nach Verfügbarkeit neben den klassischen sieben Kräutern auch andere Kräuter, z. B. Kresse, Estragon, Zitronenmelisse, Brennnessel, Löwenzahn, Schafgarbe oder Gänseblümchen unters Hackmesser.

Also her mit den frischen Kräutern!* Und da der eigene Garten einfach noch nicht genügend hergibt und der Kauf auf dem Wochenmarkt die Fahrt in die nächste Stadt voraussetzt, kommen die siebenerlei Kräuter eben aus dem näher gelegenen Supermarkt des Vertrauens. Schnell gewaschen, belesen und kleingehackt und mit den sonstigen Zutaten vermengt. Regional, saisonal und schmackhaft – geht doch!

Zum Genuss über die Köstlichkeit zu leckeren Pellkartoffeln gesellt sich das Wohlgefühl des ökologisch reinen Gewissens … bis dann beim Entsorgen der Kräuterverpackung der Blick auf das Etikett mit den Herkunftsbezeichnungen fällt: Sauerampfer aus Israel, Zitronenmelisse aus Zypern, Petersilie aus Italien, Schnittlauch aus Marokko, Kerbel und Estragon wieder aus Israel und Dill (!) aus Zypern. Wenn ich mir vorstelle, welche Transportstrecken ich mit dieser Sauce verte à la Méditerranée gerade verspeist habe, erscheinen mir die spanischen Erdbeeren zum Nachtisch geradezu als bodenständige Kost.

Udo Maid-Kohnert

*Lesen Sie hierzu auch den BeitragWildkräuter in unserem Supplement Ernährungslehre & Praxis in diesem Heft.

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