Editorial 09/08: Lebensmittelkennzeichnung – die Dritte!

Prof.Dr.Helmut ErbersdoblerAuf den Seiten 538–539 dieses Hefts beleuchtet Herr Prof. Dr. Pudel kritisch die Gesetzesvorhaben zur Nährwert-Kennzeichnung. Ohne Zweifel hat er in Vielem recht, auch mit dem Totschlagargument, welches man öfters hört: „es hilft ja alles doch nichts“. Ein besonders umstrittenes Beispiel ist die Ampelkennzeichnung, der darüber hinaus ein Verwirrungspotenzial zugeschrieben wird.

Sicherlich steht hinter dem Rot der Verkehrsampel ein gesetzliches Verbot und hinter der Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln nur eine Empfehlung. Derartige Empfehlungen gibt es inzwischen auch schon an anderer Stelle, und spätestens seit der Verwendung der „Ampelkoalition“ in der Politik dürfte auch der uninformierte Verbraucher zwischen Verbot auf der einen Seite und Empfehlung auf der anderen unterscheiden können. Und selbst wenn die Ampel bei der Mehrzahl der Verbraucher nicht „greift“ – die paar Prozent , denen sie hilft, sind den Aufwand wert!

Aber sind es wirklich so wenige? Warum wehrt sich die Wirtschaft dann so vehement gegen die Ampelkennzeichnung?

Wenn man sich die psychologische Situation vor Augen führt, mit der die Verbraucher und besonders die Kinder angesichts des Warenangebots konfrontiert werden, dann wird einem klar, dass sie auf der Verliererstraße sind. Ohne Rückhalt in Familie und Schule werden sie vom geschmacklich und optisch perfekten Überangebot verführt, von der Werbung tiefenpsychologisch bearbeitet und selbst auf der „Quengelstrecke“ vor der Kasse nicht in Ruhe gelassen.

Rechtfertigt das aber, den Kopf in den Sand zu stecken? Wenn ich Politiker wäre, könnte ich nicht schlafen mit dem Gedanken, nicht alles Mögliche versucht zu haben, um wenn auch nicht alle, doch wenigstens einige zu erreichen.

In Werbung und Marketing sind sicherlich hunderte, wenn nicht tausende von Psychologen permanent im Einsatz. Wo sind die, die unseren Kindern wirklich helfen? Vermutlich fehlt das Geld. Herr Pudel hat vor über 10 Jahren einmal gesagt: „Jeder D-Mark, die für die Lebensmittelwerbung ausgegeben wird, steht nur ein Pfennig zur Information und Aufklärung unserer Verbraucher entgegen“.

Wie wahr! Es fehlen uns die unabhängigen (verbeamteten) Psychologen in Ämtern, Behörden und Hochschulen! Hier klafft bei uns eine riesige Lücke, die – wie man sieht – nicht nur wissenschaftlich schmerzt. Daher müssen wir uns zunächst mit den – zugegeben unvollkommenen – Maßnahmen wie der Ampel-Kennzeichnung abfinden.

Herzlichst
Ihr

Helmut Erbersdobler

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