Editorial 9/2025: Es bleibt noch Luft nach oben
- 15.09.2025
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- Caroline Krämer
Kommen bei Ihnen Alternativprodukte zu Fleisch und/oder Milch auf den Tisch? Die Produktion vegetarischer und veganer Fleischersatzprodukte bspw. ist im Jahr 2024 erneut gestiegen1. Dies deutet auf eine erhöhte Nachfrage nach Alternativprodukten zu tierischen Lebensmitteln hin. Zwar ist nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) der Fleischkonsum nach Jahren des Rückgangs2 wieder leicht gestiegen3 (hier ist insbesondere der gestiegene Verzehr von Geflügelfleisch bei gleichbleibendem Konsum von Rind- und Schweinefleisch zu nennen), jedoch hält der Leiter des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) Dr. Josef Goos „eine Rückkehr zu Verzehrmengen früherer Jahre […] vor dem Hintergrund des Trends zur flexitarischen Ernährung [für] unwahrscheinlich“.
Da kommt das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) zum richtigen Zeitpunkt, indem es schon mit dem Titel „Mehr Auswahl am gemeinsamen Tisch: Alternativprodukte zu tierischen Lebensmitteln als Beitrag zu einer nachhaltigen Ernährung“ zu einer vielseitigen Ernährungsweise anregt. In der Rubrik Kurz & bündig finden Sie in diesem Heft auf S. M525 die Pressemeldung des WBAE zur Übergabe des Gutachtens an Bundesminister Alois Rainer und auf S. M554 erläutern Prof. Dr. Monika Pischetsrieder (Mitglied des WBAE beim BMLEH), Prof. Dr. Britta Renner (stellv. Vorsitzende des WBAE beim BMLEH) und Prof. Dr. Achim Spiller (Vorsitzender des WBAE beim BMLEH) in einem Interview Hintergründe und Intentionen des Gutachtens.
Oftmals treffe ich in meinem Umfeld auf Vorbehalte gegenüber Alternativprodukten zu tierischen Lebensmitteln, die meiner Meinung nach in den meisten Fällen unbegründet und dringend auszuräumen sind. Sicherlich, geschmacklich kann das eine oder andere Alternativprodukt noch punkten, doch Prof. Renner trifft den Nagel auf den Kopf, indem sie sagt, dass eine positive Haltung gegenüber tierischen Produkten Offenheit für Alternativen nicht ausschließe – es ginge nicht um ein „entweder-oder“, sondern um ein „sowohl-als-auch“.
Neue biotechnolgische Verfahren werden den Markt der Alternativprodukte weiter vorantreiben und „umkrempeln“. Dies zeigen die seit September 2024 in der ERNÄHRUNGS UMSCHAU veröffentlichten und open access einsehbaren Beiträge zu dem Forschungsprojekt NewFoodSystems. Auch in dieser Ausgabe ist ab S. M544 wieder ein Beitrag aus dem Projekt vertreten. Bergmann et al. gehen in dem Peer-Review-Beitrag der Frage nach, wann die Novel-Food-Zulassung für Pilzmyzel als Nahrungsmittel kommt.
Betrachtet man die Umweltwirkungen von Lebensmitteln, sieht man hier Vorteile der Alternativprodukte zu ihren tierischen Pendants. Dank Alternativprodukten müssen Ernährungsweisen nicht sofort „radikal“ verändert werden – wobei natürlich eine zunehmende Reduktion des Konsums klimaschädlicher Produkte wünschenswert wäre. Hier setzen Kersting et al. im Specialbeitrag ab S. M558 an. Sie untersuchten die Nachhaltigkeit des lebensmittelbasierten Ernährungskonzepts der Optimierten Mischkost (OMK) für Kinder und Jugendliche und verbesserten diese, ohne die sichere Nährstoffzufuhr zu beeinträchtigen.
Die in dieser Ausgabe vorgestellten Ansätze zeigen, dass es viele Bestrebungen gibt, sowohl die planetare als auch die menschliche Gesundheit zu fördern – diese umzusetzen und nachhaltig im Lebensalltag zu integrieren bedarf weiterer Anstrengungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene.
Ihre Caroline Krämer
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1 www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2025/PD25_21_p002.html?templateQueryString=fleischersatzprodukte
2 www.ble.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/230403_Fleischverzehr.html
3 www.ble.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/250327_Fleischbilanz.html
Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 9/2025 auf Seite M521.