Erste gemeinsame Tagung von DAG und DDG

Erste gemeinsame Tagung der Deutschen Adipositas Gesellschaft und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Berlin

Auf der ersten gemeinsamen Tagung von diabetesDE/Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), die vom 5.–7. November 2009 in Berlin stattfand, informierten die Veranstalter in Vorträgen, Workshops und Symposien Ärzte, Wissenschaftler, Diabetesberater, Ernährungsberater, Ernährungswissenschaftler und alle weiteren auf den Gebieten Diabetes und Adipositas tätigen Berufsgruppen über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und wie diese in der Praxis umgesetzt werden können.

Etwa 80 % der Menschen mit Diabetes Typ 2 sind übergewichtig oder sogar adipös. Hauptursache beider Erkrankungen ist eine genetische Veranlagung in Kombination mit Bewegungsmangel und falscher Ernährung. Es erfordert deshalb eine Umstellung der bisherigen Lebensgewohnheiten, um die Ernährungs- und Bewegungstherapie auch erfolgreich umzusetzen. Dies gelingt häufig nicht. Die Erkrankten haben dann eine verkürzte Lebensdauer durch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck oder Krebs. Auch die Lebensqualität ist entsprechend vermindert.

„Treten die Erkrankungen gemeinsam auf, ist die Behandlung schwierig“, so die beiden Tagungspräsidenten Prof. Dr. med. Christoph Rosak, diabetesDE/DDG und Prof. Dr. med. Andreas Hamann, DAG. Erfolgreiche Behandlungskonzepte wurden deshalb unter anderem in den Sitzungen „Strategien zur Stabilisierung der Gewichtsreduktion“, „Strukturierte Therapieprogramme“ und „Metabolische Chirurgie“ vorgestellt.

Häufigste akute Komplikation bei Diabetikern verhindern

Die Hypoglykämie, ist die mit Abstand am häufigsten auftretende akute Komplikation bei Diabetes mellitus. Gefährlich ist sie, weil sie tödlich enden kann oder Folgeschäden wie z.B. Demenz begünstigt. „Daten zeigen, dass Hypoglykämien bei bis zu 10 % aller ungeklärten Todesfälle von Diabetikern Typ 1 und Typ 2 verantwortlich sind", betonte Prof. Rosak, Chefarzt und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Frankfurt-Sachsenhausen. Auslöser einer akuten Hypoglykämie können zu wenig Nahrung, Alkohol oder falsch eingeschätzte körperliche Aktivität sein. Langjähriger Diabetes, Alter und Nierenfunktionsstörungen erhöhen das Risiko. In den meisten Fällen ist jedoch eine Überdosierung von Diabetes-Tabletten oder von Insulin die Ursache. „Die Hypoglykämie ist eine Nebenwirkung der Diabetes-Therapie, die zu häufig auftritt", erklärt Rosak.

Fällt der Zuckerspiegel unter einen Wert von 60 mg/dl (2,8 mmol/l) liegt eine Hypoglykämie vor: Die Betroffenen haben mit sinkenden Blutzucker immer stärkere Symptome: Sie sind nervös, zittern, haben Heißhunger und Schweißausbrüche. In den Diabetes-Schulungen wird trainiert, die Symptome einer Unterzuckerung zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren. Im Notfall-Set geschulter Diabetiker befindet sich außerdem Glukagon, der hormonelle Gegenspieler des Insulins: Wird nicht sofort Zucker aufgenommen oder Glykagon gespritzt, verschlechtert sich der Zustand. Der Kontrollverlust nimmt zu und kann bis zur Bewusstlosigkeit führen.

Eine Hypoglykämie ist immer schädlich: Studien zeigen, dass in Folge einer Unterzuckerung Demenz, Schlaganfall, Blutdruckkrisen, Herzrhythmusstörungen oder sogar plötzlicher Herzstillstand auftreten können. „Dies ist eine Erklärung für ungeklärte Todesfälle bei Diabetikern. Je nach Studie kann von einer Mortalität in der Hypoglykämie bei Typ-1-Diabetikern von 6–10 % der Todesfälle ausgegangen werden. Beim Typ-2-Diabetiker gibt es keine verlässlichen Daten, mit Ausnahme der Sulfonylharnstoff induzierten Hypoglykämien, bei welchen mit bis zu 10% Todesfällen gerechnet werden muss", äußerte sich Prof. Rosak im Vorfeld der Tagung.

Bei der Tabletten- und Insulinwahl sollten Substanzen bevorzugt werden, die wenig Hypoglykämien verursachen. Dazu gehören beispielsweise Metformin, die Wirkstoffgruppe der Glitazone, Inkretinmimetika und DPP-4-Hemmer, sowie kurz- und langwirksame Insulinanaloga. Außerdem müssen Einstellungen individuell an Patienten angepasst werden.

Eine erfolgreiche Diabetes-Therapie muss deshalb auch solche unerwünschten Nebenwirkungen möglichst vermeiden. Die Behandlung ersetzt einen komplexen Stoffwechsel, der bei Diabetikern nicht mehr funktioniert: Insulin, Glukagon und weitere Hormone gewährleisten bei gesunden Menschen, dass die Nervenzellen des Gehirns und Muskelzellen des Körpers ausreichend Nahrung in Form von Glukose erhalten. Sie halten außerdem den Blutzuckerspiegel konstant bei Werten zwischen 80 (4,4) und 150 mg/dl (8,3 mmol/l). Das Hormon Insulin steuert die Aufnahme der Glukose aus dem Blut in die Zellen und senkt dadurch den Anteil des Zuckers im Blut. Wie zu niedrige Blutzuckerspiegel frühzeitig erkannt beziehungsweise verhindert werden können, war Diabetes-Schwerpunktthema der Tagung.

Die Adipositastherapie weist weltweit, nicht nur in Deutschland, lediglich bescheidene Erfolge auf. Trotz vielfältiger Bemühungen neue und bessere Therapien zu entwickeln nimmt die Zahl der Menschen mit Adipositas weiter zu. Dies macht deutlich, dass die klassischen Beratungskonzepte nicht sehr wirksam und nachhaltig sind. Dringend werden neue Konzepte benötigt, was zu steigenden Forschungsaktivitäten in vielen Ländern geführt hat.

Seit Herbst 2008 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zwei krankheitsbezogene Kompetenznetze (KKN) zu den Krankheitsbildern Adipositas und Diabetes mellitus. Das KKN Adipositas hat am 4. und 5. November seine jährliche Mitgliederversammlung in Gegenwart des externen Wissenschaftlichen Beirats und des Förderers abgehalten. Dort wurden der Stand der einzelnen Projekte und die weitere Strategie besprochen.

Das KKN Adipositas setzt sich aus acht thematischen Verbünden/Konsortien mit insgesamt 39 Teilprojekten zusammen, die von der Grundlagenforschung, Präventionsforschung, Ätiologie- sowie Pathogeneseforschung, epidemiologische Forschung bis zur psychosozialen Forschung reichen. Ziel der Förderung ist es, die bestehenden Forschergruppen zu stärken und besser zu vernetzen und damit auch einen international wettbewerbsfähigen und sichtbaren Beitrag zur Adipositasforschung zu leisten. Ein weiteres Ziel beider Kompetenznetze ist es, einen raschen Transfer neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Prävention und Versorgungsmedizin zu ermöglichen („Translation").

Im 1. Jahr der Förderung des KKN Adipositas wurde vor allem versucht, eine gemeinsame Forschungsplattform zu definieren und auf den Weg zu bringen, die die Vernetzung der Verbünde und Einzelprojekte unterstützen soll. Für diesen Zweck wurden vier Arbeitsgruppen eingerichtet und dank zusätzlicher BMBF-Mittel weitere Strukturen geschaffen ("Metabolomik"-Plattform, Harmonisierung von Labormethoden), um gemeinsam zukunftsweisende Methoden zu entwickeln, die die deutsche Wissenschaft auf diesem Feld voranbringt und die Grundlagen für größere gemeinsame Forschungsprojekte schaffen soll.

Ein Beispiel für diesen neuen Forschungsansatz und ein, auch für die Öffentlichkeit interessantes, Vorhaben ist die Einrichtung des „Deutschen Gewichtskontrollregisters" an der Universität Erlangen (Leitung: Frau Prof. Dr. M. de Zwaan). Damit sollen freiwillig bereit gestellte Informationen von Menschen gesammelt und ausgewertet werden, die ihr Gewicht erfolgreich über mindestens ein Jahr um mindestens 10 % senken konnten. Damit ist die Hoffnung verbunden, besser zu verstehen, warum ein Teil der abnahmewilligen Menschen recht erfolgreich sein Gewicht senken kann, während andere – leider die Mehrheit– stets daran scheitern. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen genutzt werden, um zielgerechtere Behandlungskonzepte zu entwickeln („maßgeschneiderte“ Therapie) und insgesamt die Langzeiterfolge von Gewichtsreduktionsprogrammen zu verbessern.

In einem anderen Projekt wird die Versorgungsqualität in der Behandlung von adipösen Kindern und Jugendlichen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Therapieeinrichtungen einheitlich bezüglich definierter Kriterien dokumentiert. In der APV-Initiative (Leitung: Prof. Dr. R. Holl) werden zweimal jährlich die Daten der behandelten Kinder und Jugendlichen anonymisiert verglichen, und jede Behandlungseinrichtung (Arztpraxen, Klinikambulanzen, Reha-Kliniken) erhält eine vergleichende Auswertung über die betreuten Patienten, die durchgeführte Diagnostik, die Häufigkeit von Komorbidität und die erzielten Behandlungserfolge.

Mittlerweile sind über 180 000 Datensätze von über 56 000 Patienten erfasst. Diese Datenbank ermöglicht neuartige wissenschaftliche Auswertungen zur pädiatrischen Adipositas, zur Versorgungsrealität und zu den mit verhaltensbasierten Ansätzen erzielbaren Therapieerfolgen. Zudem können Patientengruppen mit besonderen Phänotypen oder besonderen Gewichtsverläufen identifiziert und in zukünftigen Studien mit genetischen oder metabolischen Markern weiter untersucht werden.

Damit verfolgt das KKN Adipositas viele praxisrelevante Projekte, die hoffentlich zukünftig zu besseren Behandlungserfolgen führen werden. Bessere Therapieerfolge bei der Adipositas lassen letztlich auch einen Rückgang der Zahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes aber auch vielen anderen Folgeerkrankungen erwarten.

Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten sind auf der Website des KKN Adipositas (www.kompetenznetz-adipositas.de) erhältlich. Dort finden interessierte Berufsgruppen wie Ärzte aber auch interessierte Bürger viele Informationen zum Thema Übergewicht/Adipositas.

Helga Uphoff, Fachjounalistin und Projektleiterin des Diabetesportals www.diabsite.de, berichtete für die Ernährungs Umschau vom Kongressgeschehen.

Die gekürzte Fassung dieses Artikels finden Sie in Ernährungs Umschau 12/09 auf Seite 665.

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