Zu guter Letzt 07/09: Die erste deutsche Ampel

Über dpa wurde kürzlich in fast allen Tageszeitungen verbreitet, dass der erste deutsche Lebensmittel-Hersteller bei vier Produkten die Ampelkennzeichnung, d. h. die Vergabe von jeweils grünen, gelben oder roten Punkten für die Gehalte an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Kochsalz einführt .

Damit bahnt sich eine Entwicklung an, die in Großbritannien bereits weit fortgeschritten ist und in anderen Ländern in modifizierter Form ebenfalls betrieben wird. Amtlicherseits wird die Ampelkennzeichnung vermutlich in Deutschland aufgrund der massiven Einwände von Seiten der Wirtschaft nicht eingeführt. Nun aber wird sie zum Marketinginstrument ähnlich den Slogans „ohne Konservierungsstoffe“ oder „ohne Geschmacksverstärker“. Die Ampelkennzeichnung wäre der erste amtliche Versuch einer lebensmittelbasierten Empfehlung zur „gesunden“ Ernährung1.

Während sich die nährstoffbasierten Empfehlungen (z. B. die D-A-CH-Referenzwerte) bewährt haben, sind die für die Prävention besonders wichtigen lebensmittelbasierten Empfehlungen noch unvollkommen und rar. Die einfacheren Regeln wie die 10 Regeln der DGE oder auch die diversen Ernährungspyramiden lassen sich zwar auch entsprechend interpretieren, gehen aber viel zu wenig ins Detail. Ob die Ampel-Kennzeichnung weiterhilft, ist wie gesagt aber auch umstritten. Sie wird vielfach als „unwissenschaftlich abgeleitet“ abgelehnt (vgl. www.dge.de/pdf/ws/DGE-Stellungnahme-LM-Kennzeichnung-2008-09-09). Dieser Vorwurf trifft bei genauerer Betrachtung jedoch nicht zu.

Vergleichbare Ableitungen zu den Schwellenwerten für die Einordnung nach gelb oder rot finden sich auch bei dem britischen „a little a lot“-Verfahren (Beurteilung eines Lebensmittels als starke oder schwache Quelle eines Nährstoffs) im COMA-Report (1991). Dort ist definiert2: Finally the cut offs are defined as one fifth of the GDA3 for „a lot“ and one thirtieth for „a little“ (GDA3 based on 2245 kcal/… for people aged 19–50 years).

Tatsächlich sind die Schwellenwerte für das „a little a lot“-Verfahren und die Ampel praktisch identisch. Durch Ab-oder Aufrundungen und den Bezug auf den niedrigeren Energiewert von 2 000 kcal liegen heute z. B. die „roten Schwellenwerte“ bei etwa 25 % des Tagesbedarfs, also ungefähr der Menge einer Hauptmahlzeit.

Das erscheint mir nicht unvernünftig. Eine Ausnahme bildet der Zuckerwert, für den der Wert von 90 g für die GDA erst wesentlich später festgelegt wurde und über den gesondert zu diskutieren wäre. Einen wirklichen Nachteil hat die (bisherige) Ampelkennzeichnung. Sie erlaubt keine Abstufungen innerhalb der Farben, insbesondere beim Rot. Dies wäre aber vermutlich wieder zu komplex. Warten wir ab, ob das o. a. Beispiel Nachahmer findet. Vielleicht ergibt sich aus dem Firmenvergleich der Produkte ein erzieherisches Moment, das allen hilft.

Ihr

Helmut Erbersdobler

1 Mehr zum Thema Ampelkennzeichnung z. B. in Ernährungs Umschau 2008 Hefte 8/S. 460 und 9/S. 509
2 GARSETTI M et al.(2007) Nutrient profiling schemes: overviewand comparative analysis. Eur J Nutr 46 (Suppl. 2): 15–28
3 GDA = Guideline Daily Amounts (die neuen EU Referenzwerte für die Nährwert-Kennzeichnung)

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