Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln, Teil II

Der Verordnungsvorschlag der Kommission zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel

Peter Loosen

Kritik von Seiten der Lebensmittelwirtschaft ist Kommissar Byrne gewohnt, gestört hat sie ihn bisher wenig. Ganz anders ist dies bezüglich der Kritik der Lebensmittel- und Werbewirtschaft am Verordnungsvorschlag zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel, die insbesondere in Deutschland erheblichen Niederschlag in der Presse gefunden hat. Die öffentliche Kritik und die politische Bedeutung des Verordnungsvorschlags auch in Bezug auf die in Kürze zu erwartenden Verordnungsvorschläge zur Anreicherung und zur Nährwertkennzeichnung haben Kommissar Byrne zu einer ungewöhnlichen Reaktion in Form der Aufklärung über vermeintliche Mythen und Missverständnisse auf Seiten seiner Kritiker veranlasst.

Es ist bedauerlich, dass in dieser Stellungnahme die zentralen Kritikpunkte der Wirtschaft nicht aufgegriffen werden, sondern der Eindruck erweckt wird, die Kritiker hätten den Verordnungsvorschlag entweder nicht verstanden oder interpretierten ihn bewusst falsch. Dies ist unzutreffend und wird der berechtigten Kritik am Verordnungsvorschlag nicht gerecht. An die Stelle "politische Nebelkerzen" wie der vorab abgedruckten Pressemeldung muss die sachliche Auseinandersetzung mit Kritik treten.

Dies war das Ziel des BLL-Forums zu Health Claims anlässlich der Anuga 2003. Hier diskutierten Vertreter von Kommission, Bundesregierung, Verbrauchern und der Wirtschaft offen und sachlich Stärken und Schwächen und mögliche Lösungsansätze. Die Diskussion der nächsten Wochen und Monate, insbesondere im Europäischen Parlament und auf Ratsebene unter den Mitgliedstaaten wird zeigen, inwieweit es gelingt, den Verordnungsvorschlag der Kommission zu einem wirksamen Instrument der Harmonisierung des Rechts der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel zu machen. In der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung ist er dies jedenfalls nicht.

Mythen und Missverständnisse – die Pressemeldung der Generaldirektion Verbraucher und Gesundheit

Die zentrale Botschaft der Pressemeldung der Generaldirektion Verbraucher und Gesundheit lautet: Die Kritik an ihrem Verordnungsvorschlag in den Medien beruht auf Mythen und Missverständnissen, ihr Vorschlag sei nicht oder aber falsch verstanden worden. Er werde zu einem liberaleren Umgang mit Claims führen, auf Krankheiten bezogene Angaben, die nach EU-Recht bislang gänzlich verboten seien, würden erlaubt, die Menge nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben werde nicht verringert, sondern "angepasst". Außerdem seien Verbraucher- und Wirtschaftsvertreter konsultiert worden und hätten den Vorschlag als wichtige Maßnahme gegen irreführende Werbeaussagen (Verbraucher) und zur Harmonisierung unterschiedlicher nationaler Vorschriften begrüßt (Wirtschaft).

All dies trifft bestenfalls zum Teil zu. Die Kritik beruht nicht auf Mythen und Missverständnissen, denn der Verordnungsvorschlag bietet auch bei zutreffendem Verständnis ausreichend Grund zur Kritik. Kritisiert wird zunächst der Paradigmenwechsel, den der Verordnungsvorschlag beinhaltet, indem er alle nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben verbietet, wenn sie nicht ausdrücklich erlaubt werden – entweder im Rahmen von Positivlisten zugelassener nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben oder nach besonderer Zulassung. Bisher gilt: Nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben sind grundsätzlich zulässig, vorausgesetzt, sie sind zutreffend und wissenschaftlich begründet. Von einer Liberalisierung kann deshalb keine Rede sein.

Den vollständigen Artikel finden Sie in Ernährungs-Umschau 11/03 ab Seite 438.

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