Symposium des forum ernährung heute: Essen – Privatsache oder Staatsaffäre?

Eigenverantwortung und Privatheit im persönlichen Ernährungs- und Lebensstil vs. Sinn und Legitimität von staatlichen Eingriffen in die individuelle Ernährungsweise standen im Fokus des Symposiums „Freiheit oder Fremdbestimmung: Wie privat ist Essen?“ des forum ernährung heute in Wien.

Soziale Stigmatisierung von „Präventionsverweigerern“ wurde ebenso diskutiert wie der vorherrschende „Gesundheitswahn“; die Grenzen zwischen privater Verantwortung und öffentlichen sowie moralischen Eingriffen beim Thema Gesundheit und Ernährung wurden beleuchtet. Die Vortragenden näherten sich dem Thema aus sozialwissenschaftlicher, politischer, philosophischer und alltagspraktischer Sicht.

Egal ob die aktuelle Diskussion zum Verbot von zuckerhaltigen, übergroßen Limonaden in New York oder die Einführung einer sog. Fettsteuer – Gesundheit und Ernährung des Individuums und die Verantwortung der Gesellschaft sind ein hochemotionales, spannungsgeladenes Thema: Wie privat ist Essen, wie privat darf es sein? Aus gesundheitspolitischer Sicht lässt sich aus der derzeitigen Ernährungssituation ein klarer politischer Handlungsauftrag ableiten, um die in Gesundheit verbrachte Lebenszeit zu verlängern und damit Kosten im Gesundheitswesen zu sparen.

Aber auch aus privater Perspektive werden politische Maßnahmen gefordert, bspw. die Einbindung der Vermittlung von Verbraucher-, Ernährungs- und Kochkompetenzen in die schulische Bildung. Der persönliche Ernährungsund Lebensstil wird traditionell als Teil des Privaten gesehen, wird aber schnell zum Politikum, wenn es bspw. um Übergewicht, Adipositas bzw. Belastung des allgemeinen Gesundheitswesens geht.

Das Symposium zeigte: Die Diskussion geht weit über ernährungswissenschaftliche Komponenten hinaus und mündet direkt in eine soziale und politische Debatte, die auch Gefahren der sozialen Stigmatisierung von übergewichtigen Menschen birgt. Prof. Dr. Jürgen KÖNIG, Universität Wien, stellte als Fazit des Symposiums provokante Fragen in den Raum: „Leben wir in einer infantilen Gesellschaft, die geschützt und durch Verbote und Gebote gelenkt und gesteuert werden muss? Und was müssen wir tun, welche Maßnahmen müssen wir setzen, damit unsere Gesellschaft erwachsen wird und nicht mehr vor sich selbst geschützt werden muss?”

Darüber, dass es sich bei Essen, Übergewicht und Fehlernährung um sozial indizierte kulturelle Phänomene handelt, waren sich die Diskutierenden einig. Kulturell geprägtes Verhalten zu ändern zählt jedoch zu den schwierigsten Aufgaben. Daher können nur gesamt-gesellschaftliche Ansätze erfolgreich sein, die in alle Politik- und Lebensbereiche reichen und soziale Ungleichheiten berücksichtigen und aufwiegen – so der einhellige Tenor. Es gehe v. a. um die Stärkung des Individuums und dessen Selbstverantwortung durch Bildung, Wissen und Vermittlung von Kompetenzen. Politik könne und dürfe nur die Rahmenbedingungen schaffen, damit persönliche Freiheit aktiv gelebt werden kann. Weitere Informationen sowie die Abstracts der Vorträge: www.forum-ernaehrung.at . Quelle: forum ernährung heute, Pressemeldung vom 21.06.2012

Den Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 08/12 auf Seite 431.

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