Diabetesschulung: Automatische Insulindosierungssysteme machen Schulungen immer wichtiger

Immer mehr Menschen mit Diabetes mellitus nutzen neue Technologien, um sich in ihrem Diabetes-Alltag zu entlasten [1]. Insbesondere junge PatientInnen mit Diabetes Typ 1 verwenden automatisierte Systeme, die die Blutzuckermessung und Insulinabgabe automatisch regulieren und somit die Funktion der Bauchspeicheldrüse nachahmen. Rund 12 % aller Kinder und Jugendlichen mit Diabetes nutzen inzwischen sog. AID-Systeme (automatische Insulindosierung) – Tendenz steigend. Der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD) weist darauf hin, dass durch die neuen Technologien der Schulungsaufwand künftig steige. Er rät PatientInnen dringend dazu, sich vor und während der Nutzung dieser Technologie ausführlich beraten und schulen zu lassen.

Am Oberarm befestigtes Insulindosierungssystem und Mobiltelefon. © dzika_mrowka/iStock/Getty Images Plus
Die Handhabung der automatisierten Insulindosierungssysteme erfordert eine ausführliche und therapiebegleitende Schulung, sonst ist der gewünschte positive Effekt auf den Blutglukosespiegel gefährdet. © dzika_mrowka/iStock/Getty Images Plus

Eine moderne Diabetestherapie ist ohne Technologie heute undenkbar. Einen besonderen Mehrwert bieten AID-Systeme, eine Kombination aus Insulinpumpe, kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) und einem die Insulinzufuhr steuernden Algorithmus. Indem es dem Körper, abhängig von der jeweils gemessenen Glukose, Insulin zuführt, ahmt es die natürliche Funktion der Bauchspeicheldrüse nach. Das ermöglicht, täglich länger im Blutzucker-Zielbereich zu sein und gefährliche Hyper- und Hypoglykämien zu vermindern – insbesondere nachts. „Wir schätzen, dass in den nächsten 10 Jahren etwa die Hälfte aller Menschen mit Typ-1-Diabetes ein AID-System nutzt oder nutzen wird. In rund 15 Jahren werden es sicher 90 % sein“, prognostiziert Theresia Schoppe, Mitglied des VDBD-Vorstands.
Je mehr Technologie in die Diabetestherapie Einzug hält und je komplexer deren Anwendung wird, desto größer ist aber auch die Eigenverantwortung der PatientInnen und damit der Schulungsbedarf. „Es ist für die Betroffenen nicht nur wichtig, die Technik zu verstehen, die Grenzen des eigenen AID-Systems zu kennen und ein Verständnis für den jeweiligen Algorithmus des AID-Systems zu haben. Sie müssen auch kompetent in der Kohlenhydrat-Einschätzung sein, um sich im Falle eines technischen Ausfalls selbst zu helfen zu wissen.“ „Die Technik ist nicht unfehlbar – sie kann ausfallen oder fehlerbehaftet sein“, führt Schoppe aus.
All diese Anforderungen machen eine intensive Begleitung und Beratung im Vorfeld sowie regelmäßige Nachschulungen dringend erforderlich. AnwenderInnen müsse zudem klar sein, dass sich zwar oft wenig in der Hardware der Technik verändert, die Weiterentwicklung der integrierten Software jedoch rasant fortschreitet und auch dies eine regelmäßige Unterweisung notwendig mache. Eine ausführliche Schulung von PatientInnen mit insulinpflichtigem Diabetes wird daher in Zukunft immer wichtiger werden. Dies zeigt auch eine Studie aus den USA [2]. Darin wurde deutlich, dass sich trotz Zunahme der Techniknutzung, bspw. mit CGM und Algorithmus-gesteuerter Insulinpumpe, die angestrebten Stoffwechselziele sogar verschlechterten. „Das Ergebnis lässt sich durch eine fehlende therapeutische Patientenschulung in den USA erklären“, interpretiert VDBD-Vorsitzende Dr. Nicola Haller. „Die Technologie ist eben nur so gut wie ihre Anwendung.“
Aber nicht nur für PatientInnen ändern sich die Anforderungen. Auch in Diabetespraxen müssen strukturierte Fortbildungen des Fachpersonals integriert und unabhängige Fortbildungsmöglichkeiten regelmäßig angeboten werden, um Technik-AnwenderInnen ausreichend zu befähigen.

Der VDBD weist auch darauf hin, dass AID-fähige Insulinpumpen mit kompatiblen CGM-Systemen von Krankenkassen noch nicht problemlos finanziell unterstützt werden. „Aufgrund der Regularien kann es passieren, dass eine AID-fähige Insulinpumpe keine Kostenzusage für das dazugehörige CGM-System erhält. Somit kann die Algorithmussteuerung nicht genutzt werden“, erklärt Haller. Aktuell seien vier offiziell zugelassene Produkte im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes gelistet und somit einzeln erstattungsfähig. Auch hierüber sollten sich die PatientInnen bei ihrem Diabetesteam informieren.

Literatur
1. Kulzer B, Heinemann L: D.U.T. - Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2022, https://diabetes.berlin-chemie.de/fileadmin/PDF/dutreport/DuT-Report_2022_final.pdf  (last accessed on 21 June 2022).
2. Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022, Freckmann G, Schlüter S: Diabetes-Technologie: ein Update. S. 171 ff. www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2022_final.pdf  (last accessed on 21 June 2022).

Quelle: VDBD, Pressemeldung vom 14.06.2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2022 auf den Seiten M355-M356.

Das könnte Sie interessieren
Medienumschau 5/2024 weiter
Effektivität und Nachhaltigkeit einer zweiwöchigen Ferienmaßnahme für übergewichtige... weiter
Aus BALD (Bund für Ausbildung und Lehre in der Diätetik) wird BALD e. V. weiter
Diagnose-Tool für Schluckstörungen bei älteren Patient*innen weiter
Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch sinkt weiter weiter
Wahl zum Lieblingscover 2023 weiter