Nachhaltigkeit: Umweltbundesamt und Verbraucherzentralen fordern vom Handel mehr Natürlichkeit für Gemüse und Obst

Zahlreiche selbstgesetzte Vorgaben des Handels an das Aussehen und die Größe von Obst und Gemüse belasten die Umwelt und das Klima: Brokkoli wird bspw. nach Einheitsgewicht vermarktet, Äpfel nur mit makelloser Schale und bei Möhren oder Kohlrabi dienen die frisch-grünen Blätter nur der Optik, lassen das Gemüse selbst aber schneller welk werden.

Damit Obst und Gemüse frisch und makellos aussehen kann, müssen oft zusätzliche Pflanzenschutz- und Düngemittel eingesetzt werden. Obst und Gemüse, das den Handelsvorgaben nicht entspricht, wird den Erzeugerbetrieben in der Regel nicht abgenommen. Im besten Fall wird es zu Saft weiterverarbeitet oder verfüttert, häufig aber untergepflügt oder anderweitig entsorgt. So entstehen unnötige Lebensmittelverluste.
Verzichtet der Handel auf diese Vorgaben, profitieren neben der Umwelt auch VerbraucherInnen sowie die Erzeugerbetriebe. Dies zeigt das Umweltbundesamt (UBA) in seiner aktuellen Veröffentlichung „Mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal – gut für Umwelt und Klima“, in der es zusammen mit ExpertInnen Lösungsvorschläge entwickelt hat. UBA-Präsident Dirk Messner: „Die gesetzlichen Vorgaben reichen aus für hochwertige Lebensmittel. Der Handel muss hier nicht noch unnötig nachlegen. Damit die Umwelt beim Obst- und Gemüseanbau weniger belastet wird, müssen alle aktiv werden – auch der Handel.“
Auch die Verbraucherzentralen haben das Angebot von ausgewähltem Obst und Gemüse in 25 Supermärkten, Biohandelsmärkten und Discountern untersucht und bemängeln in ihrem bundesweiten Marktcheck die zu strikte Handhabung des Handels:

  • Nur rund ein Viertel der angebotenen Äpfel und 18 % der Möhren wurden in Klasse II, also mit optischen Makeln und verschiedener Größe, angeboten. In Discountern war dieses Angebot – im Vergleich zu Supermärkten und Biomärkten – noch geringer.
  • Kohlrabi, Blumenkohl, Eisbergsalat und Brokkoli wurden fast ausschließlich zum Stückpreis statt nach Gewicht angeboten. Eine Verkaufspraxis, die wenig Anreiz bietet, auch zu kleinerem Gemüse zu greifen.
  • Kohlrabi und Radieschen wurden fast immer mit Blättern verkauft, obwohl diese nur als – vermeintliches – Frischemerkmal dienen und meist schon im Handel von den VerbraucherInnen entfernt werden.
  • Nur rund ein Viertel (28 %) der Geschäfte bietet Obst und Gemüse preisreduziert an, wenn es durch längere Lagerung im Markt an optischer Qualität verloren hatte.

Empfehlungen von UBA und Verbraucherzentralen:

  1. Der Handel sollte auf eigene Anforderungen an Größe, Einheitlichkeit und Aussehen verzichten und die Spielräume der gesetzlichen Vermarktungsnormen nutzen. Wo eine Klassen-Kennzeichnung vorgeschrieben ist, sollte Klasse II zum neuen Standard werden.
  2. Obst und Gemüse sollte nach Gewicht und nicht nach Stück verkauft werden. Um enge Vorgaben für einheitliche Größen überflüssig zu machen, müssen Verkaufsverpackungen und Packstückgrößen an die natürlichen Größen und Gewichte von Obst und Gemüse angepasst werden.
  3. Gemüse wie Kohlrabi, Radieschen, Möhren sollte ohne Blätter angeboten werden.


Literatur
1. Verbraucherzentrale Niedersachsen e. V.: Obst und Gemüse im Einzelhandel. Qualitätsanforderungen und Lebensmittelverschwendung. Marktcheck der Verbraucherzentralen. 2022. www.verbraucherzentrale.de/sites/default/files/2022-01/verbraucherzentrale-marktcheck-obst-und-gemuese-2022.pdf  (last accessed on 01 February 2022).
2. Umweltbundesamt (UBA): Mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal – gut für Umwelt und Klima. Empfehlungen des Umweltbundesamtes zur Senkung handelsspezifischer Vorgaben. 2022. www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/220117_uba_fb_mehr_natuerlichkeit_obst_gemuese_final_bf.pdf  (last accessed on 01 February 2022).

Quelle: Verbraucherzentrale Hessen, Pressemitteilung vom 24.01.2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2022 auf den Seiten M130 bis M131.

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