Ernährungspolitik: Ministerien müssen Studienergebnisse staatlicher Forschungseinrichtungen herausgeben

Nachdem die Verbraucherorganisation foodwatch gegen das Bundesernährungsministerium (BMEL) aufgrund der Zurückhaltung einer Studie und der Veröffentlichung zensierter Forschungsergebnisse geklagt hat, entschied das Verwaltungsgericht Köln, Ministerien müssen Studienergebnisse staatlicher Forschungseinrichtungen unzensiert herausgeben. Das Kölner Gericht bewertete die Geheimhaltung der wissenschaftlichen Studie durch das BMEL als rechtswidrig und gab der Klage von foodwatch statt.

Das Gericht bewertete die Zurückhaltung der wissenschaftlichen Studie durch das BMEL als rechtswidrig. © ARMMY PICCA/iStock/Getty Images Plus
Das Gericht bewertete die Zurückhaltung der wissenschaftlichen Studie durch das BMEL als rechtswidrig. © ARMMY PICCA/iStock/Getty Images Plus

In einer vom Max Rubner-Institut (MRI) im Auftrag des Bundesernährungsministeriums erarbeiteten Studie zu verschiedenen Modellen der Nährwertkennzeichnung lagen die Studienergebnisse dem BMEL im Herbst 2018 vor. Ein halbes Jahr später erst stellte die damalige Ernährungsministerin Julia Klöckner der Öffentlichkeit eine überarbeitete Version der Studie vor.
Die Originalstudie des MRI, die sich wesentlich von der BMEL-Version unterschied, veröffentlichte das Ministerium erst, nachdem foodwatch Klage eingereicht hatte. Während die ursprüngliche MRI-Studie dem Nutri-Score ein gutes Zeugnis ausstellt und diesen als „grundsätzlich vorteilhaft“ bewertet, heißt es im Fazit der für das BMEL überarbeiteten Version, dass „keines der Nährwertkennzeichnungsmodelle uneingeschränkt empfohlen werden“ könne.
Zudem waren Kriterien, bei denen der Nutri-Score nach den Kriterien des MRI besonders gut abschneidet, in der geänderten Version für das Ministerium gestrichen worden. Zuvor hatte sich Julia Klöckner öffentlich kritisch über den Nutri-Score geäußert und hob auch bei der Vorstellung der überarbeiteten Studie die Lebensmittelampel negativ hervor.
Trotz der nachgeholten Veröffentlichung hatte foodwatch an der Klage festgehalten, um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des BMEL prüfen zu lassen. Das Gerichtsurteil bezeichnete foodwatch als bedeutenden Präzedenzfall für die Freiheit der Forschung in Deutschland und für den demokratischen Diskurs. Weiterhin forderte die Verbraucherorganisation die Bundesregierung auf, gesetzlich zu verankern, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Ressortforschung in Zukunft ohne jede politische Einflussnahme veröffentlicht werden müssen.
Das Gericht befand, dass das Informationsfreiheitsgesetz „nur die notwendige Vertraulichkeit der Beratung von Behörden“ schütze. Die Vorschrift schütze das BMEL und andere Behörden „nicht vor politisch unliebsamen Ergebnissen von eingeholten Fachstudien“, so das Gericht.

Quelle: foodwatch: foodwatch gewinnt Rechtsstreit gegen Bundesernährungsministerium: Ministerien müssen Forschungsergebnisse unzensiert herausgeben. Pressemeldung vom 6. August 2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 9/2022 auf Seite M468.

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