Tagung der Verbraucherzentrale Hessen: Fachtag Bildungsort Esstisch
- 15.10.2025
- Print-News
- Sabine Schmidt

Unter Schirmherrschaft der VZ Hessen wird der Fachtag jährlich von der (dieser zugehörigen) Vernetzungsstelle Kitaverpflegung Hessen organisiert. Mit ca. 150 Teilnehmenden aus allen Bereichen der Kita-Betreuung und -verpflegung, darunter viele Erzieher*innen, war er wie stets gut besucht.
Ein „positives Erleben beim Essen legt den Grundstein für lebenslanges gesundheitsförderndes Essverhalten“, stellte Philip Wendt, Leiter der VZ Hessen, zu Beginn die Grundhaltung offen. Zugleich stellte er die Forderung an die Politik, den Zugang zu stark gesüßten Lebensmitteln für Kinder einzuschränken, wie von der vergangenen Ampelregierung gefordert, aber nicht mehr umgesetzt. Im Koalitionspapier der aktuellen Regierung würde dieser Handlungsbedarf gar nicht vorkommen. Deswegen wünschte er sich von der hessischen Regierung, diesen Punkt in der eigenen Regierungsarbeit zu berücksichtigen, damit er nicht „ganz von der Agenda verschwindet und wir ihn in Zukunft wieder gemeinsam anpacken können“. Ebenso regte er an, den Qualitätsstandard für die Kitaverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in den hessischen Kitas verpflichtend zu machen.
Dass die „Stärkung der frühkindlichen Bildung einer der wichtigsten Aufgaben in der Gesellschaft“ sei, sah auch die hessische Ministerin für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales Heike Hofmann. Sie übergab Herrn Wendt einen Förderbescheid über 600 000 Euro für die Fortführung der Arbeit der Vernetzungsstelle Kitaverpflegung bis Ende 2028.
Grundlage des Bildungsverständnisses in hessischen Kitas ist der „Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen“ (BEP) [1], den es in ähnlicher Form auch in den anderen Bundesländern gibt. Drei zentrale Prinzipien fasste Elisa Martini, Referentin für frühkindliche Bildung in Hofmanns Ministerium, wie folgt zusammen:
- Das Kind steht im Mittelpunkt.
- Bildung ist ein sozialer Prozess.
- Demokratie bedeutet Partizipation und Mitbestimmung sowie eine gelebte Kultur der Begegnung.
Das gemeinsame Essen in der Kita sei keine Pause in der Umsetzung dieser und anderer pädagogischer Prinzipien, sondern integraler Bestandteil und als solches ein nicht zu unterschätzender Bildungsort.
Diesen Prinzipien folgen die Referent*innen des Fachtags Bildungsort Esstisch schon seit dem ersten Stattfinden im Jahr 2015.
Miriam Zeleke, Landesbeauftragte für Beteiligung und Förderung von Kindern und Jugendlichen in Hessen, machte in ihrem Impulsvortrag deutlich, welche Rolle gemeinsame Mahlzeiten bei der Umsetzung von Kinderrechten spielen. „Was Kinder wann und wie essen, hat kinderrechtlich große Relevanz. Am Beispiel ‚Essen‘ lassen sich die Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte sehr gut miteinander denken.“ Dank der UN-Kinderrechtskonvention hätten Kinder heute so umfassende Rechte wie nie zuvor. „Was wir haben, ist ein Umsetzungsdefizit, daran müssen wir gemeinsam arbeiten.“ Zentral sei es bspw. beim Kitaessen, dass Kinder nicht gezwungen werden dürfen, zu essen – „auch keinen Probierhappen“.
Edith Gätjen stärkte diese aus rechtlicher Sicht bestehenden Anforderungen an die Essenssituation mit Kindern. Selbst einjährige Kinder, die neu in die Kita kämen, seien in punkto Geschmackserfahrungen „kein unbeschriebenes Blatt“. Im Gegenteil, die Sinne kleiner Kinder arbeiteten intensiver. Die Aussage „Das mag ich nicht“, hätte daher stets einen Grund, der, auch wenn der*die Erwachsene ihn in dieser Situation nicht verstehe, zu respektieren sei. „Wenn es darum geht, dass ein Kind eine gute Beziehung zum Essen aufbaut, dann sind Sie als Fachkraft dafür zuständig, indem Sie eine gute Beziehung zu dem Kind aufbauen“, erläuterte sie und ergänzte: „Freiwilligkeit stärkt Esskompetenz. […] Das Angebot der Erwachsenen macht weit vor dem Mund des Kindes halt. Der Teller ist privat, der Mund ist intim.“ Aufgabe der Erwachsenen sei es allerdings nicht, jeden Wunsch der Kinder zu erfüllen.
Die Autonomie des Kindes und seine Rechte und Bildungserfahrungen beim Essen spielten an diesem Vormittag die Hauptrolle und Jennifer Seidler, Multiplikatorin des hessischen BEP, teilte ihre eigene Erfahrung, dass in den letzten zehn Jahren immer mehr – aber noch nicht alle – Kitas ihre Essenssituationen diesem Bildungskonzept annähern.
In den nachmittäglichen Workshops entwickelten die Teilnehmenden Ideen zur Umsetzung der Themen Nachhaltigkeitsbildung, Nudging und Partizipation sowie Sinneserfahrungen in ihren Kitas, in die sie, ausgestattet mit reichhaltig neuen Impulsen, ihre Erfahrungen dieses Tages weitertragen können.
Literatur
1. Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen: https://BEP.hessen.de (last accessed on 11 September 2025).
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2025 auf Seite M592.