Mikrobiom: So kommunizieren Darmbakterien mit dem Körper

Die Bakterien in unserem Darm beeinflussen unseren Körper auf vielfältige Weise. Ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam hat in einer Studie neue Erkenntnisse über die Kommunikationswege von Darmbakterien gewonnen [1].

Auf jede menschliche Zelle kommen schätzungsweise 1,3 Bakterienzellen. So haben alle Darmbakterien zusammen – das Mikrobiom des Darms – 150-mal so viele Gene wie der Mensch. Die Stoffwechselprodukte der Darmbakterien wirken vielfältig auf unseren Körper: Sie trainieren unsere Immunzellen und tragen zu deren Reifung bei, sie steuern Stoffwechselprozesse im Körper und wie häufig sich Zellen der Darmschleimhaut erneuern. Änderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms tragen höchstwahrscheinlich zum Entstehen und Krankheitsverlauf etwa von neurologischen- oder Krebserkrankungen bei.

Auf die Zellen der Darmschleimhaut wirken die bakteriellen Stoffwechselprodukte über den direkten Kontakt. Wie solche Bakterienstoffe jedoch in entfernte Organe wie Leber, Niere oder das Gehirn gelangen, war bislang unklar. Als Transportmittel wurden kleine Kapseln (Membranbläschen oder Vesikel) vermutet, die von Bakterien in die Umgebung abgegeben werden und die mit bakteriellen Enzymen, Proteinen oder auch RNA-Molekülen gefüllt sind.

ForscherInnen der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität Erlangen-Nürnberg und der University of California untersuchten im Mausmodell, wie Bakterien ihre Stoffwechselprodukte in solchen Vesikeln verteilen. Dazu besiedelten sie den Darm von Mäusen mit E.-coli-Bakterien. Hierfür nutzten sie Mäuse, die eine bestimmte Genschere produzierten und diese über Vesikel in die Umgebung abgaben. Die Mäuse besaßen in Körperzellen ein Gen für ein rotes Leuchtprotein, das durch die Genschere aktiviert werden konnte.
Ergebnis: Die bakteriellen Stoffe wurden von einzelnen Zellen des Darms, der Leber, der Milz, des Herzens und der Nieren sowie von Immunzellen aufgenommen. Auch einzelne Nervenzellen des Gehirns leuchteten rot. Die Vesikel der Bakterien sind folglich in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und auf diese Weise in das ansonsten gut abgeschottete Gehirn zu gelangen. Die bioaktiven Bakterienstoffe seien sogar von Stammzellen der Darmschleimhaut aufgenommen worden, was zeigt, dass Darmbakterien womöglich sogar dauerhaft die Eigenschaften der Darmschleimhaut verändern können.

Laut Dr. Stefan Momma vom Neuroscience Center der Goethe-Universität Frankfurt weisen die Fluoreszenzbilder darauf hin, dass die Vesikel wahrscheinlich über den Blutstrom im Körper verteilt würden. Die weitere Erforschung dieser Kommunikationswege könne außerdem helfen, Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen oder Krebs besser zu verstehen, bei denen das Mikrobiom eine Rolle spiele. Zudem seien solche Vesikel auch als neue Methode interessant, um Medikamente zu verabreichen, zur Entwicklung von Impfstoffen oder als Biomarker, die auf eine pathologische Veränderung des Mikrobioms hinwiesen.

Literatur:
1. Bittel M, Reichert P, Sarfati I, et al.: Visualizing transfer of microbial biomolecules by outer membrane vesicles in microbe-host-communication in vivo. J Extracell Vesicles 2021 Oct;10(12):e12159 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/jev2.12159?af=R 

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Pressemeldung vom 09.11.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 12/2021 auf Seite M692.

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