Ernährungsempfehlungen für Europa in Überarbeitung

  • 04.07.2011
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  • Redaktion

Auf Ersuchen der Europäischen Kommission hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) neue Leitlinien für die empfohlenen Tagesmengen an Fett, Kohlenhydraten, Ballaststoffen und Wasser erarbeitet, welche die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen. Diese Referenzwerte benennen eine optimale Nährstoffzufuhr im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung, und tragen, in Verbindung mit einer gesunden Lebensweise, zur besseren Gesundheit der Menschen bei.

Laufende Überarbeitung
Die EFSA überarbeitet derzeit die 1993 veröffentlichten empfohlenen Tagesmengen für Nährstoffe.1 Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Kompendium an Ernährungsrichtlinien, die unter anderem als Grundlage für die Lebensmittelkennzeichnung sowie für die Festsetzung von Zielen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Europa dienen sollen. Der Veröffentlichung der Referenzwerte für Fette, Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Wasser gingen intensive Beratungen mit den Mitgliedsstaaten, der Wissenschaft und weiteren Akteuren im Ernährungsbereich voraus.2 Die Referenzwerte für Energie, Protein, Vitamine und Mineralstoffe sind noch in Überarbeitung.

Berücksichtigung chronischer Krankheiten
Früher zielten empfohlene Tagesmengen primär darauf ab, spezifische Nährstoffmangelerscheinungen zu verhindern. In den letzten Jahrzehnten wurde allerdings klar, dass die Nährstoffzusammensetzung unserer Nahrung einen tiefgreifenden Einfluss auf die Entwicklung chronischer Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Osteoporose und Herzerkrankungen, und damit langfristig auf die Gesundheit im Allgemeinen, hat. Aus diesem Grund schliessen die Referenzwerte nun Empfehlungen für Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Fett ein.

Referenzbereich für die Kohlenhydratzufuhr
Anstelle fixer Werte gibt die EFSA nun einen akzeptablen Bereich für die Zufuhr von Kohlenhydraten (Zucker und Stärke zusammen) an, den sogenannten Referenzbereich. Speisepläne mit einem Energieanteil von 45-60 % aus Kohlenhydraten, in Kombination mit einer reduzierten Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fettsäuren, verbessern die metabolischen Risikofaktoren für eine chronische Erkrankung.3 Für Gesamtzucker bzw. Zuckerzusätze wurden keine spezifischen oberen Grenzwerte für die tägliche Zufuhr festgesetzt, da ein Zusammenhang zwischen hoher Zuckeraufnahme und Gewichtszunahme, Mikronährstoffmangel oder Zahnschäden nicht ausreichend wissenschaftlich belegt werden konnte. Angemessene Mundhygienemaßnahmen unter Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta tragen zur Vorbeugung von Karies bei.

Mindestwert für Ballaststoffe
Die Empfehlung für die tägliche Aufnahme von Ballaststoffen basiert auf der für die Aufrechterhaltung einer geregelten Darmfunktion erforderlichen Menge. Als akzeptabel gelten 25 g pro Tag.3 Allerdings gibt es wissenschaftlich belegte Anhaltspunkte dafür, dass die Aufnahme faserreicher Lebensmittel wie Vollkornzerealien, Obst und Gemüse in Mengen, die die täglichen 25 g Ballaststoffe übersteigen, dazu beiträgt, ein gesundes Körpergewicht zu halten und das Risiko für Herzerkrankungen und Typ-2-Diabetes zu reduzieren. Dies sollte bei der Festsetzung von Ernährungsrichtlinien berücksichtigt werden.

Referenzbereich für Fettzufuhr
Auch hinsichtlich der Fettaufnahme hat sich die EFSA für einen Referenzbereich entschieden, in der Höhe von 20–35 % der täglichen Energiezufuhr.4 Innerhalb dieses Bereichs konnten in ernährungswissenschaftlichen Untersuchungen keine offensichtlichen Nährstoffmängel oder negativen Auswirkungen auf Blutfette oder Körpergewicht beobachtet werden. Hervorgehoben wurde zudem, dass auch eine höhere Fettaufnahme mit guter Gesundheit und normalem Körpergewicht vereinbar ist, sofern die Lebensmittelwahl stimmt und ein entsprechendes Maß an körperlicher Aktivität eingehalten wird. Die Aufnahme von gesättigten Fettsäuren sollte bei einer adäquaten Ernährung so gering wie möglich sein. Gleiches gilt für Trans-Fettsäuren, die der Körper nicht benötigt.

Für einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind keine spezifischen Tagesmengen angegeben; empfohlen wird lediglich, gesättigtes Fett, wann immer möglich, durch ungesättigtes Fett zu ersetzen. Langkettige Omega-3-Fettsäuren, wie sie in Fischöl vorkommen, sind der Herzgesundheit besonders zuträglich, und 250 mg täglich wurden als adäquate Zufuhr festgelegt. Bereits durchschnittlich 20 g Lachs pro Tag würden dies gewährleisten.5

Wasser
Eine ausreichende Wasserzufuhr ist für praktisch alle Körperfunktionen und insbesondere für die Regulierung der Körpertemperatur von entscheidender Bedeutung. Ein Verlust von 10 % des Körperwassers kann tödlich sein. Der Wasserbedarf steigt, je intensiver die körperliche Aktivität und je höher die Umgebungstemperaturen. Die EFSA beziffert unter Zugrundelegung einer mäßigen körperlichen Betätigung und durchschnittlicher Außentemperaturen den Wasserbedarf für Frauen mit 2 l und für Männer mit 2,5 l.6 Diese Mengen berücksichtigen das in sämtlichen Getränken und Speisen enthaltene Wasser.

Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen
Um für Verbraucher tatsächlich hilfreich zu sein, müssen die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr in nützliche praktische Ratschläge umgesetzt werden, welche Lebensmittel in welchen Mengen gegessen werden sollten. Solche lebensmittelbezogenen Ernährungsrichtlinien müssen kulturelle Unterschiede in der Ernährung berücksichtigen, praktisch umsetzbar sein und aus einfachen, klaren Ratschlägen zu richtigen Ernährungsmustern bestehen, die zur Aufrechterhaltung der Gesundheit beitragen und ernährungsbedingten Krankheiten vorbeugen.7 Hinsichtlich der Entscheidung über die optimale tägliche Zufuhr an Kohlenhydraten (vor allem Zucker), Ballaststoffen und Fetten gibt es noch Unsicherheiten. Somit können wir davon ausgehen, dass sich die diesbezüglichen Richtlinien in Zukunft ändern werden, da die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit immer genauer erforscht werden.

Literatur
1. Reports of the scientific committee for food (1993). 31st series. Nutrient and energy intakes for the European community. European Commission. Luxembourg. Verfügbar unter: ec.europa.eu/food/fs/sc/scf/out89.pdf
2. EFSA sets European dietary reference values for nutrient intakes. Verfügbar unter: www.efsa.europa.eu/en/press/news/nda100326.htm  
3. EFSA (2010) Scientific opinion on dietary reference values for carbohydrates and dietary fibre. EFSA Journal 8(3):1462. Verfügbar unter: www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/1462.htm
4. EFSA (2010) Scientific opinion on dietary reference values for fats, including saturated fatty acids, polyunsaturated fatty acids, monounsaturated fatty acids, trans fatty acids and cholesterol. EFSA Journal 8(3):1461. Verfügbar unter: www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/1461.htm  
5. Food Standards Agency (2002). McCance and Widdowsons’s The Composition of Foods, 6th summary edition. Cambridge: Royal Society of Chemistry.
6. EFSA (2010) Scientific opinion on dietary reference values for water. EFSA Journal 8(3):1459. Verfügbar unter: www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/1459.htm  
7. EFSA (2010) Scientific opinion on establishing food-based dietary guidelines. EFSA Journal 8(3):1460. Verfügbar unter: www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/1460.htm  
Quelle: Europäisches Informationszentrum für Lebensmittel, Newsletter Food Today No. 77, Ausgabe April/Mai 2011 (04.07.11)

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