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Lebensmittelkennzeichnung: 4-Stufen-System für Lebensmittel nach dem Verarbeitungsgrad

  • 17.02.2020
  • News
  • Redaktion

Viele Ernährungsempfehlungen basieren auf der Betrachtung von Energie- und Nährstoffgehalten bzw. Nährstoffrelationen in Lebensmitteln. Lebensmittelqualität und -verarbeitung stehen eher weniger im Fokus. Eine brasilianische Arbeitsgruppe hat nun ein 4-Stufen-System entwickelt, das den Verarbeitungsgrad erstmals berücksichtigt und als Grundlage sowohl für wissenschaftliche Untersuchungen als auch für daraus abgeleitete Verzehrsempfehlungen dienen kann.

Natürliche Lebensmittel sind weitgehend unverarbeitet und unbehandelt. Sie werden auch als frische Lebensmittel bezeichnet. Prozessierte Lebensmittel sind industriell verarbeitet. Dabei kann der Umfang der Verarbeitung sehr unterschiedlich sein. Eine einheitliche Definition für weitere Differenzierungen gibt es derzeit nicht, obwohl die daraus abgeleiteten Empfehlungen zum Verzehr eine große Rolle spielen würden.

Auch in der Wissenschaft sorgt die unzureichende Definition und Abgrenzung von Lebensmitteln mit unterschiedlichem Verarbeitungsgrad für Schwierigkeiten. Die meisten vorhandene Studien untersuchen den Einfluss von Convenience-Produkten (industriell verarbeitete bzw. vorgefertigte Produkte1) auf die Energie- und Nährstoffzufuhr. Andere Forschungsarbeiten setzen die Verwendung von Zusatzstoffen als Kriterium für verarbeitete Lebensmittel an.

In einigen wenigen Studien wurde der Außer-Haus-Verzehr als Maßstab für den Konsum verarbeiteter Nahrung herangezogen, wobei recht vergleichbare Ergebnisse aufgetreten sind. Demnach geht ein häufiger Außer-Haus-Verzehr einher mit:

  • einer höheren Gesamtenergiezufuhr
  • einer höheren Gesamtzufuhr an Fett
  • einer höheren Gesamtzufuhr an Natrium und
  • einer geringeren Zufuhr an nährstoffreichen Lebensmitteln

Das NOVA-System für verarbeitete Lebensmittel

Das neu entwickelte System unterteilt Lebensmittel grob in vier Stufen:

  1. Unverarbeitet bis minimal verarbeitet
    Darunter zählen essbare Teile von Pflanzen (Samen, Früchte, Blätter, Stängel, Wurzeln) oder von Tieren (Muskeln, Innereien, Eier, Milch). Auch Pilze sowie Getränke (Wasser, Tee, Kaffee) zählen in diese Gruppe. Lebensmittel dieser Gruppe sollten den Hauptbestandteil in der täglichen Ernährung ausmachen.
    Der minimale Verarbeitungsgrad geht auf Verfahren zurück, die das Entfernen ungenießbarer oder unerwünschter Anteile; das Trocknen, Zerkleinern, Mahlen und Zerteilen; das Filtern, Rösten und Kochen sowie die alkoholfreie Gärung und das Pasteurisieren, Kühlen, Gefrieren sowie Einlegen umfassen. Auch das Vakuumverpacken zählt dazu.

  2. Verarbeitete Zutaten
    Zu den verarbeiteten Zutaten zählen unter anderem pflanzliche Öle, Butter, Zucker oder auch Salz. Diese Zutaten werden aus Lebensmitteln der ersten Stufe durch Pressen, Raffinieren, Zerkleinern, Mahlen und/oder Trocknen gewonnen. Damit soll eine möglichst lange Haltbarkeit erzielt werden.
    Zutaten werden meist nicht isoliert oder einzeln verzehrt, sondern für Geschmack und Konsistenz den Lebensmitteln der ersten Stufe in eher kleinen Mengen zugegeben. In Kombination werden daraus schmackhafte Speisen.

  3. Verarbeitete Lebensmittel
    Unter verarbeiteten Lebensmitteln werden beispielsweise frisch gebackenes Brot und Brötchen, gereifter Käse sowie Konserven von Gemüse, Obst und Fisch verstanden. Im Grunde handelt es sich um bereits kombinierte Lebensmittel der ersten und zweiten Stufe, die zumeist aus 3-4 Zutaten bestehen.
    Sie werden mittels diverser Konservierungs- (Räuchern, Pökeln) oder Kochmethoden sowie Gärungsprozessen hergestellt und auch in eher kleineren Mengen einzeln oder in Kombination verzehrt.

  4. Hoch verarbeitete Lebensmittel
    Die mittlerweile wohl größte Gruppe der im Handel erhältlichen Lebensmittel stellt die vierte Stufe. Es handelt sich um hoch verarbeitete Lebensmittel jeglicher Art. Sie bestehen oft aus einzelnen Zutaten und nur selten aus vollständigen Lebensmitteln. Hierzu zählen Fertigprodukte, die meisten Snacks, Erfrischungsgetränke, Süßigkeiten inklusive Schokolade, zusammengesetzte Fleisch- und Fischprodukte wie Wurst oder auch vorgefertigte Tiefkühlgerichte und Instantprodukte. Ebenso dazugerechnet werden alle möglichen Formulierungen, Zusatzstoffe bzw. Zusätze (E-Stoffe sowie Aromen) und Extrakte (z. B. einzelne Zuckerarten, Milchbestandteile, Gluten etc.).
    Diese Produkte werden hergestellt, um haltbare, verzehrfertige und sehr schmackhafte Erzeugnisse bereitzustellen, die zudem bequem für den Verbraucher und profitabel für den Hersteller sind. Nahezu alle beworbenen Lebensmittel stammen aus dieser Stufe. Allerdings sind diese eher zu meiden bzw. nur in geringen Mengen zu verzehren.

Die Forscher aus Brasilien haben aus diesen Gruppen folgende nationale Verzehrsempfehlungen verfasst:

  • Lebensmittel der Stufe 1 sind die Basis der täglichen Ernährung
  • Lebensmittel der Stufe 2 dienen in kleinen Mengen als Zutaten für Stufe 1
  • Lebensmittel der Stufe 3 werden in begrenzten Mengen mit Stufe 1 oder 2 kombiniert
  • Lebensmittel der Stufe 4 meiden

Quellen:

1 Lexikon der Ernährung, Stichwort „vorgefertigte Lebensmittel
Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e.V., Pressemeldung vom 05.02.2020

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