In Deutschland sind rund drei Millionen Menschen von Ernährungsarmut betroffen. © karandaev/iStock/Getty Images Plus

Ernährungspolitik: WBAE-Stellungnahme „Ernährungsarmut unter Pandemiebedingungen” veröffentlicht

  • 15.05.2023
  • News
  • Redaktion

Am 27. März 2023 stellten die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) unter Beteiligung des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen die Stellungnahme „Ernährungsarmut unter Pandemiebedingungen” vor.

In der Stellungnahme analysieren 18 Wissenschaftler*innen die Ernährungssituation von armutsgefährdeten Haushalten während der Pandemie und leiten Empfehlungen an die Politik für ähnliche Krisensituationen sowie für Probleme ab, die durch die Pandemie offensichtlicher geworden sind. Die Wissenschaftler*innen kamen zu dem Ergebnis, dass die Ernährungsarmut in Deutschland politisches Handeln erfordert. Denn: In Deutschland sind rund drei Mio. Menschen von Ernährungsarmut betroffen. Dies bedeutet, dass Menschen sich nicht gesund ernähren können und von ernährungsbezogenen Aspekten des sozialen Lebens ausgeschlossen werden.

In der Mai-Ausgabe der Ernährungs Umschau erscheint nun eine Kurzfassung der WBAE-Stellungnahme und ergänzende Interviews. „Wir hoffen, dass unsere Stellungnahme dieses wichtige Thema stärker auf die Agenda der Nationalen Ernährungsstrategie der Bundesregierung setzt”, so Regina Birner, Universität Hohenheim und Co-Leiterin der Arbeitsgruppe des WBAE. Im Interview mit der Ernährungs Umschau erläutern Prof. Dr. Birner und Prof. Dr. Jakob Linseisen, Universität Augsburg und ebenfalls Co-Leiter der Arbeitsgruppe, Hintergründe und Intentionen der Stellungnahme.

Bislang wurde Ernährungsarmut als Problem in Deutschland weitgehend vernachlässigt. Der WBAE betont die in Deutschland weiterhin unterschätzten Risiken materieller und sozialer Ernährungsarmut. Von materieller Ernährungsarmut betroffen sind Menschen, denen es aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht möglich ist, sich gesundheitsfördernd zu ernähren. Etwa 3,5 % der Bevölkerung Deutschlands (rund drei Mio. Menschen) sind durch materielle Ernährungsarmut gefährdet. Damit einher geht oft auch soziale Ernährungsarmut, die Menschen von der sozialen Teilhabe ausschließt, die z. B. durch gemeinsames Essen ermöglicht wird.

Insgesamt wurden durch den Bund umfangreiche Mittel zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie und zur Einkommenssicherung eingesetzt, was zunächst positiv zu bewerten ist. Diese Maßnahmen haben verhindert, dass noch mehr Haushalte von Ernährungsarmut betroffen waren. Allerdings wird nun deutlich, dass es kaum gezielte Maßnahmen gab, um den Ausfall von Kita- und Schulernährung durch alternative Formen der Bereitstellung von Lebensmitteln oder einer warmen Mahlzeit aufzufangen. Maßnahmen auf Bundesebene fehlten, um Länder, Kommunen und nicht-staatliche Organisationen dabei zu unterstützen. In vergleichbaren Ländern wurden hingegen schnelle und flexible Maßnahmen zur Bereitstellung von Lebensmitteln ergriffen, um armutsgefährdete Haushalte zu unterstützen. Diese Maßnahmen waren zielführender. In Deutschland wurden vorwiegend finanzielle Transfers genutzt, z. T. zeitlich verzögert und wenig zielgruppenspezifisch.

Vor diesem Hintergrund hat der WBAE mögliche Maßnahmen gegen Ernährungsarmut untersucht:

  1. finanzielle Transfers (einmalig oder fortlaufend),
  2. Lebensmittelgutscheine („Voucher“),
  3. Lebensmittelpakete und
  4. warme Mahlzeiten

Die ausgewerteten internationalen Beispiele zeigen praktische Möglichkeiten auf, wie mit schnellen und teilweise innovativen Ansätzen auf die Pandemie reagiert wurde. Für die vergleichende Bewertung dieser Maßnahmen wurden vom WBAE in der Stellungnahme sechs Kriterien identifiziert, die einen grundlegenden Charakter haben und auch über die Pandemie hinaus von Bedeutung sind.

Der vollständige "Im-Fokus"-Beitrag der WBAE-Stellungnahme „Ernährungsarmut in Deutschland: Ein vernachlässigtes Problem, das politisches Handeln erfordert!“ ist mit Veröffentlichung des aktuellen Heftes 5/23 frei verfügbar und auch für Nicht-Abonnent*innen kostenfrei zugänglich.

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag „Lebensmittelkosten bei vegetarischer, veganer und omnivorer Kinderernährung: Ist eine nachhaltige Ernährung mit Hartz IV realisierbar?", den wir aufgrund der hohen politischen Relevanz des Themas ebenfalls für Sie freigeschaltet haben.

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