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Bei Mäusen reduzierten die Versuche das Körpergewicht sowie die Menge an gespeichertem Fett im Fettgewebe. © tiripero/iStock/Thinkstock

Stoffwechselforschung: Genmutation wirkt gegen Übergewicht

  • 30.06.2015
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  • Redaktion

Forscher vom Leibniz-Institut für Altersforschung (FLI) in Jena und dem European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA) in Groningen, Niederlande, haben einen Mechanismus entdeckt, wie ein bestimmter Eiweißkomplex den Stoffwechsel steuert. Er regelt dabei den sogenannten Genschalter C/EBPβ, der in einer kurzen und langen Variante auftreten kann. Wird der Genschalter in seiner kurzen Variante unterdrückt, geht dies mit einem gesünderen Stoffwechsel, reduziertem Körpergewicht und verbesserter Insulinsensitivität einher. Die Forscher versprechen sich von ihren Ergebnissen mögliche Ansatzpunkte für Therapien gegen starkes Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2.

Der Eiweißkomplex „mTORC1" (engl.: mammalian target of rapamycin 1) reguliert den Stoffwechsel in Zellen. Ist er aktiviert, wird der Stoffwechsel stimuliert und die Neubildung und Speicherung von Eiweißen und Fett angekurbelt. Seine Aktivität wird durch das Angebot an Nährstoffen sowie durch Wachstumssignale kontrolliert. Die Aktivierung und Weiterleitung des mTORC1-Signals sind damit für die Körperfunktion wichtige und streng kontrollierte Prozesse.

Die Hyperaktivierung von mTORC1, beispielsweise durch eine übermäßige Nahrungsaufnahme, spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Adipositas und den damit verbundenen Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2. Die Hemmung des Eiweißkomplexes wird dagegen als wichtiger Faktor für die gesundheitsfördernden Effekte einer kalorischen Restriktion angesehen, was bei vielen Tierarten (sogar bei Säugetieren) die Lebensspanne verlängert.

Genaktivator und Genexpression

Eine wichtige Funktion von mTORC1 ist die Stimulierung der mRNA-Translation, einem zentralen Schritt bei der Genexpression, der zur Eiweiß-Synthese führt. „Wir haben nun einen Faktor identifiziert, der auf dieser Regulationsebene durch mTORC1 kontrolliert wird“, sagt Prof. Cornelis Calkhoven, ehemaliger Forschungsgruppenleiter am FLI, der vor zwei Jahren ans ERIBA wechselte. Dieser Faktor, C/EBPβ genannt, fungiert selbst als Genregulator, das heißt, er steuert die Expression zahlreicher Gene, die für die Funktion des Stoffwechsels wichtig sind. Dabei kommt C/EBPβ in der Zelle in zwei Varianten vor: Die lange Variante wirkt als Genaktivator, die kurze Variante hemmt dagegen die Genexpression.

Die Forschungsergebnisse würden belegen, dass mTORC1 gezielt die Entstehung der kurzen C/EBPβ-Variante fördert, so die beteiligte Wissenschaftlerin Dr. Christine Müller. Im Mausmodell konnten die Forscher demnach nachweisen, dass durch eine Mutation im C/EBPβ-Gen die Entstehung der kurzen C/EBPβ-Variante verhindert werden kann, selbst wenn mTORC1 aktiviert ist. „Interessanterweise haben diese Mäuse im Vergleich zur Kontrollgruppe einen viel gesünderen Stoffwechsel. Ihr Körpergewicht sowie die Menge an gespeichertem Fett im Fettgewebe sind bei ihnen reduziert“, betont Dr. Laura Zidek, Postdoc am FLI, die Ergebnisse.

Auch die als gesundheitsschädlich angesehene Fetteinlagerung in anderen Organen, wie zum Beispiel Leber, Herz und Muskel, ist bei diesen Mäusen stark vermindert. Darüber hinaus haben sie eine deutlich erhöhte Insulinsensitivität, was auf einen sehr gesunden Zuckerstoffwechsel hindeutet.

Grundlage für Therapieansätze gegen Übergewicht

„Diese beobachteten Veränderungen im Stoffwechsel weisen große Ähnlichkeit mit denen auf, die für Mäuse nach kalorischer Restriktion typisch sind“, erklärt Calkhoven. „In den Mäusen mit verändertem C/EBPβ-Gen wird dieser positive Effekt auf den Stoffwechsel jedoch ohne Einschränkung der Nährstoffaufnahme erzielt“, betonen die Wissenschaftler. „Sie sind schlank, aber satt." „Unsere Studie belegt, dass der Mechanismus, der zur Entstehung der unterschiedlichen C/EBPβ-Varianten führt, ein wichtiger Schalter für die Weiterleitung des mTORC1-Signals ist. Dies bietet eine Grundlage für die Entwicklung neuer Therapieansätze gegen Fettleibigkeit und damit in Zusammenhang stehender Krankheiten.“

Eine pharmakologische Unterdrückung der Ausbildung der kurzen C/EBPβ-Variante könnte für einen gesünderen Stoffwechsel sorgen und somit der Entstehung von Stoffwechselerkrankungen, wie etwa Diabetes mellitus Typ2, entgegenwirken.



Weitere Informationen:

Publikation: Zidek LM, Ackermann T, Hartleben G, Eichwald S, Kortman G, Kiehntopf M, Leutz A, Sonenberg N, Wang ZQ, von Maltzahn J, Müller C, Calkhoven CF. Deficiency in mTORC1-controlled 1 C/EBPβ -mRNA translation improves metabolic health in mice. EMBO Rep. 2015. pii: e201439837. DOI 10.15252/embr.201439837.

Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI)

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