Editorial 11/2025: Safety First

Zum Jahresende läuft die Förderung des vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) seit 2019 mit ca. 20 Mio. Euro geförderten großen Verbundprojekts NewFoodSystems mit seinen 18 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben aus. Das übergeordnete Ziel besteht darin, neue Ansätze für die Ernährung von morgen zu finden, die nachhaltigere Ernährungs- und Lebensmittelsysteme umfassen, die sowohl „gesundheitsförderlicher, ethisch verantwortungsvoller, alltagsadäquater, sozial gerechter, wirtschaftlich tragfähiger und resilienter“ sind.

Fink et al. haben im letzten Jahr ( EU9/2024, S. M521) das Projekt mit seinen verschiedenen Innovationsfeldern und Themen vorgestellt. Dazu gehören die Indoor-Kultivierung von Aroma- und Gewürzpflanzen, alternative Proteine (einschließlich der Rohstoffquellen), Mikroalgen, Insekten, kultiviertes Fleisch und Pilze.1
In den Beiträgen z. B. zu nachhaltigen Proteinen bzw. Proteinzutaten, kultiviertem Fleisch oder Insektenproteinen am Beispiel des Mehls aus Larven der schwarzen Soldatenfliege wurde deutlich, dass vor der Vermarktung noch die Hürden der seit 1997 geltenden Novel-Food-Verordnung (VO Nr. 258/97 bzw. die Aktualisierung VO Nr. 2015/2283) zu überwinden sind. Hauptzweck dieser Verordnung ist bekanntlich der Schutz der Gesundheit und der Verbraucherinteressen. Zu den in der VO genannten Kategorien neuartiger Lebensmittel oder Ingredienzien zählen u. a. solche mit neuen Molekülstrukturen, die durch neue Produktionsverfahren gewonnen wurden, sowie solche, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen, aus Tieren oder Tierteilen (zum Beispiel Insekten) oder durch neue Herstellungsverfahren (zum Beispiel Zell- oder Gewebekulturen oder Nanomaterialien) hergestellt wurden.
In ihrem aktuellen Beitrag „Zur Rechtskonformität neuartiger Lebensmittel“ (S. M670) zeigen Daniel et al. u. a. anhand von Fallbeispielen aus dem Verbundprojekt NewFoodSystems das mitunter mühsame und langwierige Prozedere einer Zulassungsbeantragung neuartiger Lebensmittel. Die Autorinnen und Autoren betonen zwar, dass das gesamte Zulassungsverfahren ein hohes Maß an Transparenz aufweise. Sie beklagen jedoch, dass insbesondere innovative jüngere Start-ups mitunter Mühe haben, den geforderten anspruchsvollen Kriterienkatalog vollumfänglich zu erfüllen. Bemängelt wird auch, dass die Beurteilung der Unbedenklichkeit eines neuartigen Produkts durch die Europäische Kommission und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Rahmen eines umfassenden Konsultationsprozesses unter Umständen einige Jahre dauern kann. Ein Blick in die USA zeigt, dass der Zertifizierungsprozess auch dort in der Regel 2 bis 5 Jahre in Anspruch nimmt. In Singapur soll der Zertifizierungsprozess für neuartige Lebensmittel nur zwischen 9 und 12 Monaten dauern. Das macht Singapur seit Jahren zu einem besonders attraktiven Standort für Innovatoren in diesem Bereich.
Gerade weil es um die Unbedenklichkeit von Lebensmitteln geht, sollte uns die Sicherheit der 700 Mio. Konsumentinnen und Konsumenten in der EU allerdings wichtiger sein als die Schnelligkeit bei der Zulassung. Vielleicht geht aber auch schnell und gründlich?

Ihr Helmut Heseker

_________________________
1 Die Beiträge zu den verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden zusätzlich zur Publikation in den laufenden Heften der ERNÄHRUNGS UMSCHAU in einer Sonderpublikation zusammengefasst.



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2025 auf Seite M641.

Das könnte Sie interessieren
Tausend und ein Kalender weiter
Von der Wissenschaft in die Kita-Küche: 30 Jahre Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsküchen... weiter
VDOE verleiht OECOTROPHICA-Preis 2025 und vernetzt Preisträger*innen weiter
Diätassistent*innen – auch stark in Prävention weiter
Prof. Dr. Britta Renner ist neue DGE-Präsidentin weiter
Lebensmittelverarbeitung weiter