Palmfette und der Regenwald

Die französische Umwelt-Ministerin Ségolène Royal verursachte kürzlich einen kleinen Skandal, indem sie forderte, Nutella zu boykottieren.1 Begründung: Das Produkt enthält Fette aus der Ölpalme, die hinsichtlich der Regenwald-Debatte in kritischer Diskussion steht. Kurz darauf musste sich die Ministerin entschuldigen und ihre Vorwürfe zurücknehmen, da Ferrero glaubhaft versicherte, seit zwei Jahren nur noch Palmöl aus nachhaltig bewirtschafteten Plantagen zu verwenden. Was sind die Hintergründe der Streitigkeiten?

Die Ölpalme ist hinsichtlich des Ertrags allen anderen „Ölfrüchten“ wie Rapsöl oder Sojaöl weit überlegen (allerdings produzieren letztere noch andere wertvolle Lebens-/ Futtermittel wie Sojamehl oder Rapsschrot). Daher steht die Ölpalme inzwischen an erster Stelle als Produzent von Pflanzenfetten – sehr häufig auf Böden, die vorher Regenwald waren.2 Haupt-Produktionsländer sind Indonesien und Malaysia. Dort wird in den nächsten Jahren eine Verdoppelung der Produktion erwartet.3 Dazu kommt noch, dass die Palmfette günstige technische Eigenschaften haben. Der Schmelzpunkt des Palmöls aus dem Fleisch der olivenähnlichen Frucht liegt bei 30–40 °C und der des Fettes aus dem Palmkern bei 25–30 °C. Damit lassen sich Margarinen, Kosmetika u. v. m. herstellen, ohne gehärtete Fette verwenden zu müssen. Weitere Vorteile sind in der Rubrik Kurz & Bündig in Heft 6, S. M318 der Ernährungs Umschau aufgelistet. Ernährungsphysiologisch ist der relativ hohe Gehalt an Palmitinsäure von 44 % im Palmöl umstritten, Palmkernfett besteht hauptsächlich aus der eher unproblematischen mittelkettigen Laurinsäure. Der Hauptgrund für die Diskussionen bleibt aber die „Regenwaldproblematik“2. Die Bestrebungen, die nachhaltige Produktion und Verwendung von Palmöl zu propagieren, werden langfristig nicht fruchten. Sie werden sicherlich in den Industrieländern den Verbrauch „sauberen“ Palmöls fördern, das übrige, billige Öl wird dagegen vermehrt in die bevölkerungsreichen Länder Asiens und Afrikas fließen, wo sich die Weltbevölkerung weiterhin rasant vermehrt und auch der Anteil an Fettenergie in der Nahrung ansteigt. Auch der Einsatz als Biokraftstoff wird dort hauptsächlich stattfinden.

Was kann man tun, um die Misere zu stoppen? Die Rückkehr zu früheren Rezepten – etwa der vermehrte Einsatz von Rindertalg und von gehärteten Pflanzenölen scheitert vermutlich an der geringen Akzeptanz dieser Fette. Die Scheu vor dem Begriff „gehärtet“ hat ja den Einsatz von Palmfetten bei uns vorangetrieben, obwohl sauber durchgehärtete und gereinigte Öle ernährungsphysiologisch kaum zu beanstanden sind. Auch die Änderung des Schmelzpunktes der klassischen Pflanzenöle durch züchterische Maßnahmen lässt auf geeignete Produkte und einen gewissen Ersatz für Palmfette hoffen. Wichtigste Maßnahme wäre eine Reduktion des Wachstums der Bevölkerung, aber das lässt sich mittelfristig nicht erreichen. Man hat den Teufel durch den Beelzebub4 ausgetrieben, sagte man früher, und dieser Vergleich hinkt nicht einmal so wie der Teufel mit seinem Pferdefuß.

Es grüßt Sie herzlich Ihr Helmut Erbersdobler


Interessenkonflikt
H.E. ist Mitglied der Fachkommission Humanernährung der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UfOP).


1 www.tagesschau.de/ausland/nutella-frank reich-101.html (Stand: 17.06.2015) www.tages spiegel.de/weltspiegel/greenpeace-gibt-ok-fuer-fer rero-franzoessche-ministerin-entschuldigt-sich-fuer-nutella-schelte/11940804.html (19.06.2015)
2 wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ produkte-aus-der-landwirtschaft/palmoel/ Zugriff 14.07.15
3 F. Isermeyer, Vortrag 14th Int Rapeseed Congress, Saskatoon (Canada), 5.-9. Juli 2015
4 Beelzebub ist ein Dämon aus der christlichen Mythologie, im Volksmund auch gleichbedeutend mit dem Teufel.


Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 08/15 auf Seite M433.

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