„Verbraucher sehen den Gesetzgeber zu Recht in der Pflicht“

Interview mit Claudia Weiß, Verbraucherzentrale Hessen

Die beiden Special-Beiträge in diesem Heft zeigen zwei ganz verschiedene Aspekte des Themas Verbraucherschutz und Risiken durch Lebensmittel auf: Der Beitrag von Pamela KERSCHKE-RISCH (ab S. M522) zeigt, das Betrug mit Lebensmitteln durchaus kein Problem nur unserer Tage ist, während Ortwin RENN (ab S. M528) gerade mit Blick auf Verbraucherängste rund um Lebensmittel eine Kluft zwischen Wahrnehmung und Realität feststellt. Im Interview mit Claudia WEIß, Leiterin der Redaktion Lebensmittelklarheit in der Verbraucherzentrale Hessen, spricht die Ernährungs Umschau über Verbraucheranfragen mit Bezug zu Lebensmittelbetrug an die Verbraucherzentralen, die Wirkung von Online-Portalen wie Lebensmittelwarnung. de und Lebensmittelklarheit.de und warum sich nicht unbedingt das Lebensmittelangebot, sondern die Kennzeichnung ändern sollte.

Frau WEIß, zu welchen Bereichen rund um Lebensmittel kommen die häufigsten Anfragen an die Verbraucherzentralen? Wie hoch ist dieser Anteil in Bezug auf alle Anfragen an die Verbraucherzentralen?
WEIß:
Besonders oft wenden sich Verbraucher und Verbraucherinnen an die Verbraucherzentralen, wenn sie mit einem Lebensmittel unzufrieden sind, bspw. mit der Qualität, der Kennzeichnung oder weil sie es für eine Mogelpackung halten. Zum Teil haben sie sich bereits an die verantwortliche Firma gewendet, dort aber keine zufriedenstellende Antwort erhalten. Weitere typische Fragen drehen sich um die Kennzeichnung von Lebensmitteln, um Schadstoffe aller Art und um die Gesundheit. Die Anzahl der Beratungen zu Lebensmitteln und Ernährung ist im Vergleich zu anderen Themenbereichen wie Verbraucherrecht, Finanzdienstleistungen oder der Schuldnerberatung deutlich geringer. Das hängt sicher damit zusammen, dass ein Fehlkauf bei einem Lebensmittel finanziell meist weniger ins Gewicht fällt als bei anderen Konsumgütern oder Dienstleistungen. Bevor Verbraucher z. T. kostenpflichtige Beratungen in Anspruch nehmen, machen sie sich vermutlich lieber selbst auf die Suche nach Informationen.

Eine Gesamtstatistik für alle Bundesländer geben die Verbraucherzentralen nicht heraus. In Hessen war die Anzahl der Beratungen zu Lebensmitteln und Ernährung in 2015 mit etwa 1 % aller Beratungen zwar vergleichsweise gering. Zählt man aber die direkten Verbraucherkontakte auf Messen und bei Vorträgen und Seminaren dazu, steigt der Anteil der gesamten Kontakte auf knapp 20 % und kann sich durchaus mit anderen Bereichen messen. Die Verbraucherzentralen sehen im Ernährungsbereich ihre Aufgaben darin, fachlich fundierte Informationen zur Verfügung zu stellen – u. a. auf ihren Websites, durch Pressemeldungen und bei Vorträgen und anderen Veranstaltungen. Wichtig sind außerdem die speziellen Zielgruppenprogramme, z. B. für Kinder, Jugendliche, Eltern und Senioren, und Schulungen von Multiplikatoren.

Internet-Portale wie Lebensmittelwarnung.de1 oder Lebensmittelklarheit.de2 bieten interessierten Verbrauchern eine Fülle von Informationen. Lebensmittelklarheit.de hat gerade seinen fünften Geburtstag gefeiert. Lässt sich ein Trend feststellen? Was haben diese Portale bei Verbrauchern und Herstellern bzw. Händlern bewirkt?
WEIß:
Lebensmittelklarheit.de ist ein Portal der Verbraucherzentralen rund um die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Wie bedeutend diese Themen für Verbraucher sind, zeigen die knapp 900 000 Besuche der Website pro Jahr und die kontinuierlich eintreffenden Anfragen und Produktmeldungen. Aber auch bei Veranstaltungen zum Thema Lebensmittelrecht für Firmenangehörige, Juristen und Vertreter der Lebensmittelüberwachungsbehörden werden regelmäßig Produktbeispiele aus dem Portal diskutiert. Das unmittelbare Ergebnis des Portals ist, dass bei etwa einem Drittel der veröffentlichten Produktbeschwerden die betroffenen Firmen die Kennzeichnung und/oder Aufmachung verbessern.



Das vollständige Interview finden Sie auch in Ernährungs Umschau 09/16 von Seite M531 bis M534.

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