Social-Media-Diskurse über Fleischkonsum
- 14.08.2024
- Print-Artikel
- Corinna Neuthard
- Angela Häußler
- Eleonore Heil
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Peer-Review-Verfahren / Manuskript (Original) eingereicht: 21.07.2023; Überarbeitung angenommen: 18.01.2024
Neuaushandlung und Inszenierung von Mensch-Tier-Beziehungen
Einleitung
Das seit Anfang der 1990er Jahre jährlich stattfindende Kasseler Umwelt- und Kulturfest wurde 2017 erstmals ohne den Verkauf von Fleischprodukten ausgerichtet. Diese Entscheidung der Veranstalter des halbtägigen regionalen Festes weckte seinerzeit große überregionale sowie teilweise internationale Aufmerksamkeit und führte zu einer Diskussion über Fleischkonsum unter Betonung ganz unterschiedlicher Aspekte wie Umwelt und Klima, Gesundheit, Politik und Ethik [1].
Das Fest stellt damit einen exemplarischen Anlass dar, der zu Diskussionen über die Modalitäten des Fleischkonsums, also der Art und Weise, wie Fleisch produziert und konsumiert wird, geführt hat. Die teilweise hochemotionalen Diskussionen zum Fleisch essen verweisen auf den aktuellen Bedarf, den (gesellschaftlichen) Umgang mit Tieren neu auszuhandeln. Viele der heutigen Diskussionen werden über soziale Medien ausgetragen. Auch das fleischfreie Kasseler Umwelt- und Kulturfest wurde in Facebook-Kommentaren verhandelt. Die in Facebook geführte Diskussion zu diesem Fest wurde exemplarisch untersucht, um zu ergründen, wie Fleischkonsum sowie der Umgang mit Tieren in sozialen Medien inszeniert wurde und daraus abzuleiten, welche Modalitäten des Fleischkonsums gesellschaftlich tragbar sind. ...
Abstract
In zahlreichen Diskussionen, die auch in sozialen Medien ausgetragen werden, zeigen sich die gesellschaftliche Neuaushandlung der Modalitäten des Fleischkonsums und ein gesellschaftliches Unbehagen im derzeitigen Umgang mit (‚Nutz‘-)Tieren. Exemplarisch wurde eine Facebook-Diskussion – ausgelöst durch den Verzicht auf Fleischgerichte auf einem jährlichen hessischen Umwelt- und Kulturfest – diskurs- sowie inhaltsanalytisch untersucht, um über die Selbstinszenierung der Kommentierenden Aufschluss über die gesellschaftliche Tragbarkeit von unterschiedlichen Optionen des Fleischkonsums gewinnen zu können. Massentierhaltung, ‚Billigfleisch‘ und hohe Fleischmengen wurden negativ gewertet und in der Selbstinszenierung der Kommentierenden nicht konsumiert. Je nach moralischer Einordnung von Tiernutzung wurden teureres Fleisch aus ‚guter‘ Haltung in kleinen Mengen oder kein Fleisch sowie die jeweilige Verzehrart positiv gewertet. Es fand eine Hinterfragung der Normalität des sog. Karnismus statt, jedoch für die Kommentierenden nicht automatisch eine Hinterfragung des Fleischkonsums. Zur Diskussion steht nicht das grundsätzliche Erfordernis, sondern der erforderliche Umfang der Veränderung.
Peer reviewed / Manuscript (Original) received: 21 July 2023; Revision accepted 18 January 2024
Social media discourse on meat consumption
Renegotiation and staging of human-animal relationships
Abstract
The social renegotiation of the modalities of meat consumption and a social discomfort in the current treatment of ('farm') animals is evident in numerous discussions, which are also carried out in social media. As an example, a Facebook discussion – triggered by the renunciation of meat dishes at an annual Hessian environmental and cultural festival – was examined through discourse and content analysis in order to gain insight into the social acceptability of different meat consumption options through the self-presentation of the commentators. Factory farming, 'cheap meat' and large quantities of meat were viewed negatively and were not consumed in the commentators' self-presentation. Depending on the moral classification of animal use, more expensive meat from 'good' farming in small quantities or no meat as well as the respective type of consumption were rated positively. There was a questioning of the normality of so-called carnism, but the commentators did not automatically question meat consumption. It is not the fundamental requirement that is under discussion, but the necessary extent of the change.
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/legalcode
Den vollständigen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2024 auf den Seiten M434 bis M444.
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