Editorial 10/09: Essen und trinken – wer sagt, wie es richtig geht?

Dipl. oec. troph.
Heike Recktenwald,
ChefredakteurinRichtig essen und trinken kann man lernen. In meiner Kindheit geschah das zu Hause in einer Familie mit klassischer Rollenverteilung und durch eine Mutter, die sehr viel an Wissen, Können und Engagement mitbrachte. Richtig essen und trinken war wichtig und hatte einen hohen Stellenwert.

Meine Mutter engagierte sich zum Thema biologisch Gärtnern, kochte und erntete täglich frisch. Alle diese Kenntnisse vermittelte sie mir. Sie war das Vorbild, das schon sehr früh den Grundstein für das Verständnis und den Umgang mit Essen und Trinken legte. Durch sie lernte ich auch nach ihren Regeln, wie es geht.

Ich empfinde diese Erfahrung heute als sehr großes Glück, denn dieses traditionelle Familiengefüge, wie ich es kannte, scheint nicht überall der golden Standard der 1970er Jahre gewesen zu sein. Es geht auch anders. Die Regeln in den Familien müssen das Thema Essen und Trinken nicht immer positiv belegen. Wir alle kennen den Satz aus früheren Zeiten „Der Teller wird leer gegessen, oder willst Du, dass morgen die Sonne nicht scheint?“ – Oder die elterliche Anweisung, nicht vom Tisch aufstehen zu dürfen, wenn nicht aufgegessen war.

Zwang und Strenge können kontraproduktiv wirken. Es sind die aufgestellten Regeln, die uns bei der Entscheidung prägen und uns auch mit einem guten oder schlechten Bauchgefühl entscheiden lassen, wie und was wir heute essen und trinken. Essen und Trinken in der Familie lernen, muss also nicht immer mit positiven Assoziationen belegt sein, wie Prof. Eva Barlösius in unserem Special-Interview berichtet. Lesen Sie mehr auf Seite 574.

Zurück im Jahr 2009 sprechen wir heute von Ernährungsbildung und nicht mehr von Ernährungserziehung. Auch die Ansprechpartner und Vorbilder haben gewechselt. Essen und Trinken lernen Kinder heute auch auswärts durch Dritte. Unser Leben und unser Umgang mit der Zeit haben sich verändert. Die Rahmenbedingungen haben gewechselt, die Elternteile sind meistens berufstätig und selbst kochen – im traditionellen Sinne meiner Mutter – wird weniger praktiziert. Die Lebensmittelvielfalt und -qualität ist vorhanden, das Wissen um die richtige Ernährung ebenfalls.

Trotzdem lassen uns das Thema Übergewicht, die ernährungsbedingten Stoffwechselerkrankungen und die Zunahme der daran erkrankten Kinder- und Jugendlichen nachts unruhig schlafen. Wie muss Ernährungsbildung aussehen, die Kinder die entscheidenden Kompetenzen im Umgang mit ihren eigenen Ernährungsbedürfnissen und der heutigen Nahrungssituation vermittelt? Was können wir für Ernährungsbildung und Gesundheitsförderung tun? Dies zeigt Ihnen unser Special-Beitrag auf Seite 568.

Geben wir der nächsten Generation die Chance für ein „besser“ gelerntes Essverhalten! Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre,

Ihre Heike Recktenwald

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